Wirtschaft in Gemeinschaft. Ein Beitrag zur globalen Gerechtigkeit

6. Mai 2013


Wie bereits angekündigt, möchte ich hier ein Papier aus dem Jahr 2005 über die Wirtschaft in Gemeinschaft zugänglich machen, als ganz kurze Erläuterung der Grundsätze dieser Wirtschaftsweise bzw. Unternehmensführungsform.

Inmitten einer liberalistischen, konsumorientierten Wachstumswirtschaft gibt es Ansätze einer alternativen Fokussierung. Neben konsumkritischen Initiativen gibt es auch Unternehmen, die auf der Produktionsseite besondere ethische Standards erfüllen möchten, etwa im Bereich der ökologischen oder sozialen Produktionsbedingungen oder durch eine weniger auf das individuelle Wohl des Unternehmers bzw. Eigentümers gerichteten Gewinnverwendung. Dabei sind die Ansätze einer grundlegend anderen Wirtschaftsform, die sich nur in Abschottung vom Markt realisieren lässt (etwa als sich selbstversorgende Gütergemeinschaft mit Subsistenzwirtschaft) von denen zu unterscheiden, die innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems eine andere Wirtschaftsweise zu realisieren versuchen.

Zu letzteren zählt das Projekt „Wirtschaft in Gemeinschaft“ der Fokolarbewegung, eine 1943 von der Italienerin Chiara Lubich gegründete katholische Laienorganisation. Bereits über 700 Unternehmen und Initiativen produzieren weltweit nach den Prinzipien dieser alternativen Wirtschaftsweise, an der das besondere zu sein scheint, dass privatwirtschaftliche Effizienz und Gewinnorientierung, welche die Unternehmen, die dieses Prinzip anwenden, marktfähig halten, verbunden werden mit fairen Arbeitsbedingungen und einer gemeinwohnorientierten Gewinnverwendungspraxis, bei der jeweils ein Teil des Überschusses ins Unternehmen zurückfließt, an Bedürftige ausgeschüttet bzw. für die Verbreitung des Konzepts (Seminare, Veranstaltungen) verwendet wird. Die Idee besteht also darin, marktwirtschaftlich kompetentes Handeln mit solidarischer Verantwortung zu verbinden.

Zu dieser Idee kam es im Jahr 1991, als Chiara Lubich während eines Aufenthalts in São Paulo angesichts der drastischen sozialen Gegensätzen in Brasilien zu der Erkenntnis gelangte, dass private Solidarität mit den Armen – so wichtig diese ist – nicht ausreicht, um die Armut in den Elendsvierteln zu lindern, die sich in ihren Augen wie eine „Dornenkrone“ um São Paulo legen. Deshalb entstand die Idee, Produktionsbetriebe zu gründen, die in der Lage sind, Gewinne zu erwirtschaften und diese nicht zur Mehrung des Reichtums weniger, sondern zur Linderung der Armut vieler zu verwenden.

Darüber hinaus gelten weitere ethische Standards, die den Umgang mit Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und der „Öffentlichkeit“ ebenso betreffen wie das Betriebsklima, also die vertrauensbasierte Führung und faire Bezahlung der Mitarbeiter, sowie den Umweltschutz. Der allem übergeordnete Gedanke wird als „Kultur des Gebens, des Friedens und der Legalität“ bezeichnet, welche zu verwirklichen und zu verbreiten wichtigste Aufgabe der Unternehmen ist, die sich der „Wirtschaft in Gemeinschaft“ verbunden fühlen.

Das durch diese alternative Handlungskultur gewonnene Vertrauen, die Offenheit und die Wertschätzung aller am Leistungserstellungsprozess Beteiligten, können klassische Probleme der Prinzipal-Agenten-Ökonomik vermeiden helfen, so dass nicht trotz, sondern gerade wegen der Unternehmensphilosophie, die letztlich auf das Wohl der Gemeinschaft gerichtet ist, ein erfolgreiches Wirtschaften auch unter den marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die häufig als Grund für Lohndumping, Massenentlassungen und wenig nachhaltige Produktion unter Umgehung von Vorschriften angeführt wird.

Die Motive dieser alternativen „Kultur“ erschließen sich nur vor dem Hintergrund der am Evangelium orientierten Spiritualität der Fokolarbewegung. Die anthropologische Grundorientierung, die die Wirtschaft für den Menschen und nicht den Menschen für die Wirtschaft einzusetzen gedenkt, wird dabei durch zentrale Begriffe des „Vermächtnisses“ Christi an seine Jünger untermauert, etwa die karitative (Nächsten-)Liebe und die wohlwollende Verbundenheit untereinander, welche die Gemeinschaft der Menschen prägen sollen.

(Josef Bordat)

Kommentare sind geschlossen.