Das Mittelmeer ist ein Massengrab
20. April 2015
Wieder ist ein Flüchtlingsboot gesunken, wieder sind Hunderte Menschen gestorben. In den letzten Tagen und Wochen häufen sich die schrecklichen Nachrichten von ertrunkenen Flüchtlingen. Das Problem ist aktuell, aber nicht neu.
Pierre Vermeeren schrieb bereits 2002 in dem Artikel „Von Marokko nach Europa“ in der Le Monde diplomatique (Nr. 6774, 14. Juni 2002): „Die marokkanische Vereinigung der Freunde und Familien von Opfern der illegalen Einwanderung (AFVIC) gibt an, zwischen 1997 und 2001 seien beiderseits der Meerenge 3.286 Leichen angeschwemmt worden. Geht man davon aus, dass nur jeder dritte Tote gefunden wird, würde dies bedeuten, dass in den vergangenen fünf Jahren allein in der Meerenge von Gibraltar über 10.000 Auswanderer umgekommen sind.“
„Über 1200 Menschen sind allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres [2006, J.B.] bei ihrer Flucht Richtung Kanarische Inseln ums Leben gekommen.“, hieß es vor neun Jahren auf der Website der Universität Kassel (der Text ist nicht mehr abrufbar). In der Krimpedia des Kriminologischen Instituts der Universität Hamburg ist zu den Daten für 2006 zu lesen: „Schätzungen zufolge verloren allein im Jahr 2006 bis zu 6.000 Menschen bei Einwanderungsversuchen (nur) auf dem Seeweg ihr Leben.“
Leider ebenfalls nicht mehr verfügbar ist eine Aussage von Flavio Di Giacomo von der Internationalen Organisation für Migration, der 2009 in einem Interview mit der Zeitschrift Kulturaustausch auf die Frage „Wie viele Migranten sind bereits ertrunken?“ anwortete: „Manche Schätzungen liegen bei 15.000 Migranten, die bei der Überfahrt von Afrika nach Europa ertranken. Die Dunkelziffer ist riesig. Wir können nicht alle Toten zählen. Oft wissen wir gar nicht, dass Boote unterwegs sind. Wenn eines untergeht, ist es sehr schwer, die Leichen zu finden. Das Mittelmeer wird zu einem Friedhof.“
In den letzten 20 Jahren sind Zehntausende Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Dürre und Armut, im Mittelmeer ums Leben gekommen. Das Mittelmeer ist längst ein Massengrab.
(Josef Bordat)