Mit Brühl in Barcelona

26. November 2012


Wer schon immer mal einen Tag mit Daniel Brühl in dessen Heimatstadt Barcelona verbringen wollte, hat dazu jetzt die Gelegenheit. Zumindest kann sie oder er in Brühls jüngst erschienen „Liebeserklärung“ nachlesen, welchen Weg der dort 1978 geborene Schauspieler („Good Bye, Lenin!“, „Die fetten Jahre sind vorbei“, „Merry Christmas“, „Ein Freund von mir“, „Krabat“) bei einem Spaziergang durch die katalanische In-Metropole nimmt, wie die Menschen „drauf“ sind, denen er dabei begegnet und was ihm sonst an Barcelona lebens- und liebenswert erscheint (Ein Tag in Barcelona, Berlin: Ullstein-Verlag 2012).

Barça und Calçots, Barcelona und Katalonien

Mit Brühl lernt man die bekannteren und weniger bekannten Seiten Barcelonas und der katalanischen Kultur kennen – natürlich Barça, den identitätsstiftenden Sportverein der Stadt, natürlich Calçots, das katalanische Kultessen. Dazu hört man viel von seiner Familie und seiner Kindheit, von Freundinnen und Freunden. Erinnerung und Gegenwärtiges wechseln sich munter ab. Geholfen hat dem Verfasser bei der lebhaften Beschreibung all dessen, was das Lebensgefühl ausmacht, das Barcelona so einzigartig erscheinen lässt, der chilenische Journalist Javier Cáceres, Spanien-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung.

Barcelonas Besonderheit, Kataloniens Autonomie?

Der Spaziergang führt uns durch malerische und lebendige Viertel der Stadt, durch Gràcia und Born, zu Bars und Cafés (im Anhang gibt es ein Adressenverzeichnis), in die Nähe von Boule-Spielern und Gemüsehändlern. Vor dem Hintergrund der aktuellen Unabhängigkeitsbemühungen der Region Katalonien mutet der Spaziergang manchmal an wie eine trotzige Demonstration. Der Erzählstil bleibt zwar spielerisch und ist zu charmant, um angestrengt ideologisch zu sein (und dann anstrengend zu werden), allerdings ist er gerade so herzlich engagiert, dass er nicht ganz unbemerkt bleiben kann – Brühls Hinweis auf Barcelonas Besonderheit, der über persönliche Vorlieben hinausweist und implizit vermittelt, es sei an der Zeit, dass sich eben dieses Gefühl des Besonderen in ernsthaften Bestrebungen nach nationaler Autonomie politisch manifestiert.

Zumindest könnte man auf diesen Gedanken kommen, stehen neben dem romantisch-verklärten Blick auf die Gegenwart doch die einseitige (i.e.: katalanische) und sich der üblichen Diskursschablonen bedienende Vergangenheitsbewältigung im Raum (die Franco-Diktatur wird u. a. als „katholische Angelegenheit“ qualifiziert). Doch Brühl ist kein Historiker und das Buch ist kein Pamphlet. So bemerkt man in dieser Hymne an Barcelona schließlich vor allem, dass die Stadt ein starkes Gefühl von Heimat in dem Schauspieler weckt.

Fazit

Das Buch ist gelungen, insofern der Verlag vom Verfasser ein „persönliches Buch“ geschrieben haben wollte („Ich werde dich immer lieben, Barcelona, scheißegal, was die anderen sagen.“) und insofern, als es Brühl gelingt, den Leser sein persönliches Barcelona-Gefühl nachvollziehen zu lassen. Als Reiseführer ist es weder geeignet noch gedacht. Es ersetzt auch keine Fachliteratur zur katalanischen Regionalgeschichte oder zu Kunst und Architektur Barcelonas. Und auch die städtische Gegenwartsgesellschaft dürfte weit komplexer sein als es die Figuren, die Brühls Weg kreuzen, nahe legen.

Daniel Brühl-Fans werden auf ihre Kosten kommen, und dazu alle, die locker bis flapsig formulierte Reiseberichte oder Städteporträts mögen. Es lohnt sich wohl, den Weg des Spaziergangs nachzugehen (vielleicht nicht an einem, sondern an zwei oder drei Tagen) und in das eine Café oder die andere Bar einzukehren. Darauf hat das Buch Appetit gemacht.

Dieser Beitrag basiert auf meiner Besprechung Spaziergang durch die Heimat, erschienen in: Titel. Kulturmagazin.

(Josef Bordat)