Stimmen aus dem Obstregal

6. August 2015


Neulich im Aldi.

Stimme eins: „Die Musik ist ein Glashaus am Hang, / wo die Steine fliegen, die Steine rollen.“

Stimme zwei (seufzt): Schön!

Stimme eins: Und?

Stimme drei: Geht so. Ich mag diese assoziativ-verknappte Sprache bei Tranströmer nicht besonders.

Stimme vier: Trans… wer?

Stimme eins, zwei und drei (unisono): Was? Du kennst Tranströmer nicht?

Stimme vier: Soll’n das sein?

Stimme eins: Tomas Tranströmer???

Stimme vier: Nie gehört!

Stimme drei: Schwedischer Lyriker. Haste nicht viel verpasst.

Stimme zwei: Wie bitte?!

Stimme eins: Das ist der Lyri…!

Stimme drei: Schon gut. Aber für mich ist und bleibt das Beste an Tranströmer immer noch die deutsche Übertragung von Nelly Sachs.

Stimme eins: Die Schwächen hat!

Stimme drei: Mag sein.

Stimme eins: Ganz erhebliche sogar!

Stimme drei: Die hat die zweite Kadenz für den ersten Satz von Rachmaninows drittem Klavierkonzert auch. Und trotzdem!

Stimme zwei: Wenn Gina Bachauer es spielt…

Stimme eins und drei lachen.

Stimme zwei: Oder Walter Gieseking.

Stimme eins (kriegt sich kaum ein): Oh… hör auf! (seufzt) Jemand noch von dem Valserrano?

Stimme zwei: Gerne. Der hat so einen schönen langen Nachhall.

Stimme drei: Find ich jetzt gar nicht. Aber die süßliche Reifenote gleicht’s wieder aus.

Stimme vier: Noch’n Bier da?

Stimme eins: Im Kühlschrank. (flüsternd) Wer ist das denn?

Die Stimmen kommen aus dem Obstregal. Ich sehe nach.

Heidelbeeren

Ach, so.

Na, dann.

(Josef Bordat)

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