Persönliches, höchstpersönliches

13. August 2015


Das Schöne an einem privaten Blog ist die Tatsache, dass man darin auch mal etwas Persönliches schreiben kann, seine „persönliche Sicht“ der Dinge. Ohne Redaktionieren, ohne Redigieren. Mit Rechtschreibfehlern, gut, aber das steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls können dann neben den nach bestem Wissen und Gewissen recherchierten Artikeln auch meinungsstarke Kommentare, polemische Repliken und satirische Glossen stehen. Das ist wie bei einer Tageszeitung, die einen Sportteil hat und eine Rätselseite. Letztere ist morgens fast leer.

Damit komme ich zu einem Problem. Das Problem ist, dass das Unterscheidungsvermögen der überwiegenden Mehrheit der Menschen mit Stromversorgung und Internetanschluss offenbar nicht ausreicht, um festzustellen, wann das eine und wann das andere vorliegt, also, wann jemand seine ungeschützte persönliche Meinung sagt und damit zur Diskussion stellt und wann er – auf Quellen und Literatur gestützt – eine Angelegenheit möglichst sachlich darzulege n versucht. Ist ja auch manchmal schwer, etwa dann, wenn sich eine persönliche Meinung unnötigerweise auf Fakten aus Quellen und seriöser Sekundärliteratur stützt. Dann weiß man ja gar nicht mehr, wo man dran ist!

Es wird geclustert und geframed – nur gelesen wird nicht. Nachgedacht wird ja schon lange nicht mehr. Wozu auch, wenn man vorschnell reagieren kann? Darauf, dass jemand X ist. Darauf, dass jemand von Y zitiert wird und daher X ist. Darauf, dass Z gesagt hat, jemand sei X, weil er einen Link auf Y nicht löschen will. Ich erlebe das derzeit bei meinem Blog, denke aber, dass es darüber hinaus ein allgemeiner Trend zu sein scheint, sonst schriebe ich nicht darüber. Jedenfalls nicht hier. Obwohl ich hier ja auch höchstpersönlichen Ärger loswerden kann. Siehe oben.

Wenn ich empfindlich wäre, klagte ich jetzt wohl über Schubladendenken und dreiste Zuschreibungen, über ad hominem und tu quoque, darüber, dass ich gar nicht mehr die Chance eingeräumt bekomme, mich – jenseits von Lagern – auch mal sachlich zu äußern, weil ich als Blogger auf „persönlich“ festgelegt werde, auf parteiisch und polemisch. Ich könnte darüber klagen, dass ein in zehn Minuten hingerotzter Verriss 10.000mal, eine differenzierte Darlegung, die mich Wochen kostet, 10mal gelesen wird. Aber ich will nicht klagen. Ich bin ja selber Schuld: Was blogge ich auch!

Andererseits: Das ist für mich nicht nur ärgerlich, insoweit es meine Arbeit falsch einschätzt und mir eine Aufgabe stellt, die ich für mich nicht sehe, sondern wirft in der Tat auch die Sinnfrage für ein Blog auf. Wenn dieses ohnehin nur als etwas Persönliches betrachten werden kann (so als katholisches Blog halt) – auch, wenn da mal steht: zwei plus zwei ist vier -, dann lohnt ja keine Recherche. Ja, dann bringe ich u. U. die hinzugezogenen Quellen und Autoren noch in die fragwürdige Lage, mit mir geclustert und geframed zu werden, als homophobe Nazis oder linke Gutmenschen – je nach dem. Das kann ich Niemandem antun.

Besonders enttäuschend ist für mich, wenn unter katholischen Christen nicht nur kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen Person und Position (geschweige denn zwischen Position a und Position b, die – man lese und staune – von ein und derselben Person vertreten werden können), sondern, wenn aus Personen Lager werden, die sich in Feindbildmanier jegliche Verbindung zu etwas Geteiltem absprechen. Da gibt es dann nur noch wir oder die. Da muss man sich dann entscheiden, wenn man nicht als zaudernder Feigling dastehen will. Oder als arroganter Intellektueller.

Ich bin gegen Abtreibung und für Flüchtlinge. Das fällt für mich beides unter Lebensschutz. Dass ich damit homophober Nazi und linker Gutmensch gleichzeitig bin, das ist nicht mein Problem. Wirklich nicht. Die zehn Minuten sind um.

(Josef Bordat)

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