Erst mehrfacher Genozid, jetzt wiederholtes Fahren ohne Gurt: Papst (schon wieder) angezeigt!

25. November 2011


Die Dichte an Spaßvögeln mit Langeweile scheint unter Anwälten besonders hoch. Nachdem unlängst zwei Völkerrechtsexperten den Pontifex wegen dessen Massenmord an Milliarden AIDS-Infizierten in Afrika, Washington D.C. und Baden-Württemberg beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anschwärzten (nachdem die Kreuzzüge, die Hexenverfolgung, der Erste Weltkrieg und die Schande von Gijón als Straftatbestand wegen Verjährung ausfielen), bekommt Benedikt nun wegen einer besonders frauenfeindlichen Ordnungswidrigkeit juristischen Ärger: Fahren ohne Gurt! Also: angelegten Gurt. Im Papamobil.

Zwar ist das einerseits an Menschenverachtung nur noch durch das Nachmittagsprogramm im spanischen Privatfernsehen zu überbieten, andererseits ist es aber doch wohl so, dass 1.) das Fahren in Schrittgeschwindigkeit von der Anschnallpflicht ausgenommen ist und 2.) das Papamobil nur Schrittgeschwindigkeit fährt und diese beiden Fakten – nennen wir sie „1“ und „2“ – von jedem Dreijährigen syllogistisch zur Konsequenz („Der Papst kann gar nicht gegen die Anschnallpflicht verstoßen, solange er im Papamobil unterwegs ist.“) überführt werden können. Aber klagen kann man ja trotzdem mal. Nicht wahr?

Weil man die Welt endlich aus den Klauen des Papstes befreien will. Weil Menschenrechte und die Straßenverkehrsordnung zwei Seiten der einen Fortschrittsmedaille sind, ohne deren Achtung eine bessere Welt nicht zu ermöglichen ist. Und weil man dann in die Zeitung kommt. In der regionalen auch mit Foto. Es folgen Talkshows, ein Gastauftritt in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, mit ein bisschen Glück der Aufstieg in der Partei, vielleicht sogar ein Mandat im Kreistag, am Ende ein Buch („Hier kommt Gurt“). Naja, allein von Gebrauchtwagen, die „plötzlich“ nicht mehr über beim Kauf zugesicherte Eigenschaften verfügen, und „Schönheitsreparaturen, im Wohnbereich alle 7 Jahren, in Küche und Bad alle 5 Jahre“ kann doch keiner leben. Und außerdem: Wer wollte das, wenn man statt „Hausverwaltung van Beerendonk“ auch mal den Papst verklagen kann?

Ich finde, wer den Papst wegen Verletzung der Anschnallpflicht anzeigt, der sollte aber auch so konsequent sein und Helmut Schmidt wegen Umweltverschmutzung („Ham Sie mal Feuer?“), Joachim Löw wegen wiederholten Verstoßes gegen die deutsche Grammatik („Scho‘ au“ mehrfach in de letschte Woche“), David Beckham wegen massiven Verstoßes gegen das Kyoto-Protokoll (hat vier Kinder, vier!), den Frisör von Bastian Schweinsteiger wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, den Frisör von Claudia Roth wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in besonders schwerem Fall, Claudia Roth wegen Körperverletzung, alle Politiker der Welt wegen Betrugs, den ganzen Rest der Menschheit wegen Beihilfe und sich selbst wegen Missbrauch des Rechtssystems anzeigen. Und erst dann das Buch schreiben.

Sonst muss man halt im Facebook für die Kanzlei eine „Fan-Seite“ aufmachen und bei den „Freunden“ um ein „Like“ betteln und hoffen, dass sich die Ochsentour des viralen Marketing irgendwann auszahlt. Dann doch lieber den Papst, den Vatikan, die UNO oder Lionel Messi vor den Kadi zerren. Ganz einfach um Mandanten werben wie der Bäcker um Kunden oder Vodafone um Jugendliche mit Migrationshintergrund, das geht ja immer noch nicht. Man muss, finde ich, angesichts dessen so eine Sache wie die Anzeige des Papstes wegen Verletzung der Anschnallpflicht (oder wegen Menschenverachtung) verstehen. Anwälte haben es ja auch nicht leicht.

(Josef Bordat)

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