Ist der Missbrauch katholisch?

1. Oktober 2014


Ein an und für sich wichtiger ARD-Themenabend am heutigen 1. Oktober 2014 zu Sexuellem Missbrauch, in dem es vornehmlich um die Odenwaldschule gehen sollte, wird im ARD-Teletext wie folgt angekündigt: „In katholischen Einrichtungen wurden laut offizieller BKA-Statistik 2013 etwa 15.000 Kinder sexuell missbraucht. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher.“

Screeshot der ARD-Teletext-Seite. 1. Oktober 2014, 22 Uhr.

Screeshot der ARD-Teletext-Seite. 1. Oktober 2014, 22 Uhr.

Schaut man sich die BKA-Statistik an, wie sie im Juni 2014 von der Tagesschau veröffentlicht wurde, so fällt auf, dass zwar die Zahl der Missbrauchsfälle stimmt (es waren ganz genau 14.877), dass diese sich aber mitnichten ausschließlich „in katholischen Einrichtungen“ ereigneten. Ganz im Gegenteil: In dem Tagesschau-Artikel heißt es, die meisten Straftaten gegenüber Kindern fänden „nach wie vor im privaten Bereich fern ab der Öffentlichkeit statt“. Und gerade daher sei „die Dunkelziffer hoch“.

Ein Sender, zwei Darstellungen. Ein Versehen? Mag sein. Der aufmerksame Leser, der mich soeben darauf ansprach, meinte, man müsse wohl entweder „blöd“ oder „bösartig“ sein, der Kirche so nonchalant alle Missbrauchsfälle in die Schuhe zu schieben. Nun, ganz besonders prädestiniert für solche Fehler sind meist diejenigen, bei denen sich das Entweder-Oder in einer frühen Entwicklungsphase auf unerfindliche Weise in ein Und verwandelt hat, das fortan das eine wie das andere zu einem harmonischen Gesamtensemble zu integrieren wusste.

(Josef Bordat)

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