Gewalt

1. März 2016


Gewalt gegen Flüchtlingsheime, Gewalt gegen Kneipen, Fahrzeuge und Büros. Was die Ereignisse in diesen Tagen klammert, ist tatsächlich – die Gewalt. Gibt es gute und schlechte Gewalt? Ist es gut, Steine auf einen Bus zu werfen, in dem Flüchtlinge sitzen? Ist es schlecht, Steine auf einen Bus zu werfen, in dem Teilnehmer einer Demonstration sitzen? Ist es besser, Steine auf einen Bus zu werfen, in dem Teilnehmer einer Demonstration sitzen als Steine auf einen Bus zu werfen, in dem Flüchtlinge sitzen? Oder umgekehrt? Ist es dabei von Bedeutung, woher die Flüchtlinge kommen, was sie wollen, welche Religion sie haben? Ist es von Bedeutung, woher die Demonstrationsteilnehmer kommen, was sie wollen, welche Religion sie haben?

Gewalt ist immer die Kapitulation des Menschlichen. Ohne Metaphern der Entmenschlichung auszukommen, wenn es darum geht, über Gewalttäter zu sprechen, fällt daher schwer. Dennoch bereitet gerade diese Entmenschlichung eine weitere Eskalationsstufe der Gewalt vor. Es hat also keinen Sinn, den Tätern das Menschsein abzusprechen, auch, wenn sie dieses mit ihrer Gewalt selbst in Frage stellen. In der Entmenschlichung des Anderen wurzelt ein Denken, dass in der Gewalt Gerechtigkeit sieht und im Umgang mit dem Anderen, der eine andere Hautfarbe, eine andere Religion oder eine andere politische Meinung hat, keine Regeln mehr anerkennt. Alles ist dann erlaubt: Verleumdung, Fälschung, Gewalt. Der Zweck heiligt jedes Mittel.

Tobias Klein bringt es auf den Punkt, wenn er darauf hinweist, dass „man Demokratie und Rechtsstaat nicht verteidigen kann, indem man im Umgang mit dem Gegner demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien außer Acht lässt“. In gewohnt souveräner Diktion entlarvt Klein die faschistoide Denkweise, die der Gewalt gegen Andersdenkende und Andersglaubende inhärent ist und fördert dabei einiges an Material zu Tage, das die theoretischen Überlegungen des zweiten Absatzes erschreckend genau belegt.

Wohin führt die Gewalt? Stehen wir tatsächlich sozial in der Weimarer Republik, irgendwo Ende der Zwanziger, Anfang der Dreißiger? Tobis Klein hält „die Gefahr, dass Deutschland schnurstracks auf eine aktualisierte Neuauflage der NS-Diktatur zusteuern könnte, für relativ gering“, sieht aber „die Gefahr, dass die Beschwörung einer faschistischen Bedrohung dazu instrumentalisiert wird, einen sich selbst als ‚antifaschistisch‘ bezeichnenden Extremismus zu legitimieren und zu verharmlosen“.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Höchstens, dass weder Klein noch ich „das Problem fremdenfeindlicher Gewalt in Deutschland kleinreden“ wollen. Man kann nämlich – das mag A.D. 2016 in Deutschland komisch klingen – grundsätzlich gegen Gewalt sein. Einfach so.

(Josef Bordat)

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