Die DDR. Kein Rechtsstaat, ein Unrechtsstaat

1. Oktober 2014


Pünktlich zum Tag der Deutschen Einheit ist (wieder einmal) ein Streit darüber entbrannt, ob die DDR ein Rechtsstaat war oder nicht. SPD und Grüne verlangen für eine Koalition in Thüringen unter Führung eines Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der Partei Die Linke die Erklärung, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Der vielleicht prominenteste Linke Deutschlands, Gregor Gysi, lehnt eine solche Formulierung ab. Zu Recht?

Zunächst ist zu klären, ob ein Staat, der kein Rechtsstaat ist, notwendig ein Unrechtsstaat ist. Gysi verneint dies mit dem Hinweis auf die dann für ihn zwingende Folge einer Delegitimierung des Staats an sich. Dieser Schluss geht aber viel weiter als der von „kein Recht“ auf „Unrecht“. Denn auch ein Staat, der Unrecht vertritt oder in dem offensichtlich Unrecht für Recht erklärt wird, kann als Staat legitimiert sein. Die Mehrheit der Staaten heute sind keine Demokratien und haben z.T. ganz erhebliche Mängel in Sachen Rechtsverständnis. Trotzdem erkennt man Nordkorea, Saudi-Arabien, den Iran oder China (um nur einige zu nennen) als „Staaten“ an, die legitimerweise Teil der Vereinten Nationen sind und dort sogar ständig oder zeitweilig über die Einhaltung von Völker- und Menschenrecht wachen. Auch der Unrechtsstaat bleibt Staat und hat als solcher eine Legitimität – anders geht es nicht, wenn man Krieg verhindern und zwischenstaatliche Verhandlungen mit dem Ziel einer Verbesserung der Rechtslage führen will.

Wir können also die Frage, ob die DDR „ein Unrechtsstaat“ war, in die Frage überführen, ob die DDR „kein Rechtsstaat“ war. Wenn Gysi also meint, die DDR sei „kein Unrechtsstaat“ gewesen, dann meint er: Die DDR war „ein Rechtsstaat“. Hat er Recht?

Gysi hat damit Recht, wenn er denn meint, ein „Rechtsstaat“ sei ein Staat, indem es überhaupt gesetzliche Regelungen gibt. Wenn man für den Status „Rechtsstaat“ allerdings verlangt, dass neben dem Vorhandensein von Gesetzen auch das Bemühen um Recht und Gerechtigkeit existiert, sieht es schlecht aus für die DDR. Und dass man diese Zusatzbedingung machen darf, ist eigentlich unmittelbar einsichtig: jeder Staat hat Gesetze und jedes bewohnte territoriale Gebilde, in dem Gesetze gelten, ist ein Staat. Also bräuchten wir den Begriff „Rechtsstaat“ gar nicht, wenn wir ohnehin „Gesetzesstaat“ meinten, denn „Gesetzesstaat“ ist nichts anderes als „Staat“.

Das heißt: Gysi hat Unrecht. Oder kein Recht. Oder nicht Recht. Suchen Sie es sich aus. Die DDR jedenfalls war ein Unrechtsstaat. Wer von dieser Einschätzung abweicht, hat in der Regierung eines Rechtsstaats nichts zu suchen.

(Josef Bordat)

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