Worum es (eigentlich) geht

27. März 2014


Ein (vorläufig) letztes Mal zur Rolle der Medien im Fall Franz-Peter Tebartz-van Elst

Ich habe zu meinem gestrigen Beitrag, der in den ersten 24 Stunden nach Erscheinen bereits etwa 2000 mal aufgerufen wurde, viele Rückmeldungen erhalten – einige zustimmend, andere kritisch bis offen ablehnend. Gerade auch Personen, die ich sehr schätze, haben kein Blatt vor den Mund genommen – wofür ich sehr dankbar bin, denn das spricht für vorhandenes Vertrauen. Ich möchte jetzt nicht nachkarten, ich möchte im Grunde nur, dass zwei Dinge auseinandergehalten werden. Erstens: das Verhalten des emeritierten Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst. Zweitens: die Analyse der Rolle wirkmächtiger Medien bei der entstandenen Vertrauenskrise.

Fest steht: Franz-Peter Tebartz-van Elst hat gelogen und Geld verschwendet. Das geht nicht, nicht als Bischof der Katholischen Kirche. Daher ist die von Papst Fanziskus in rücksichtsvoller Deutlichkeit angeregte Amtsverzichtsentscheidung im Ergebnis gut und richtig. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Fest steht aber auch: Die Medien haben sich in beispielloser Weise auf den Fall und auf die Person gestürzt. Hier darf man fragen: Warum? Es kann nicht allein darum gegangen sein, dass Franz-Peter Tebartz-van Elst gelogen und Geld verschwendet hat. Denn dann müssten hunderte Fälle von Lüge, Betrug und Steuerverschwendung tagtäglich Gegenstand der Berichterstattung sein. Sind sie aber nicht.

An der Stelle kann man – und das habe ich getan und werde es weiter tun – die Rolle der Medien kritisch betrachten, da sich die Medien bei all ihrer Macht nicht – zumindest nicht konstitutionell festgelegt – rechtfertigen müssen. Die Exekutive muss sich an das halten, was die Legislative ihr vorschreibt, beide zusammen müssen sich vor der Judikative verantworten, der wiederum die Legislative die Arbeitsgrundlage verschafft und die auf die Mithilfe der Exekutive angewiesen ist, um auf der Arbeitsgrundlage zu Ergebnissen zu kommen. Die Medien können – im Wesentlichen – machen, was sie wollen. Das Ärgste, das einem als Verlag oder Sender droht, nachdem man einen Menschen vernichtet hat, ist eine Rüge vom Presserat.

Ich kenne Hans Mathias Kepplinger nicht. Aber als Professor für Empirische Kommunikationsforschung am Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist er sicher nicht der schlechteste Ratgeber in Sachen mediale Diskursanalyse. Kepplinger sagt, die Limburger Vertrauenskrise sei „zu 99 Prozent von den Medien verursacht“ worden. „Ein Teil der Medien hat zunächst versucht, die Differenzen zu Tebartz-van Elst in Glaubensfragen, etwa bei der Homo-Ehe, öffentlich gegen ihn zu thematisieren“, so der Experte gegenüber dem Christlichen Medienmagazin Pro. „Weil das missglückt ist, haben sie dann das Thema herausgepickt, auf das die Deutschen besonders sensibel reagieren: Geld.“

Jetzt kann man natürlich sagen: Er, der Bischof, hat ihnen, den Medien, aber auch so große Brocken hingeworfen, dass die Sache mit dem Herauspicken eher eine leichte Übung war. Richtig. Nur: „Die Berichterstattung hat nicht die komplexe Realität des Umbaus der Bischofsresidenz und des Ausbaus einer Wohnung reflektiert, sondern bestimmte Einzelheiten bewusst instrumentalisiert, wie etwa die berühmte Badewanne.“ Und weiter: „Man kann hier von einer gezielten Medienkampagne sprechen, weil eine erkennbare Differenz bestand zwischen der Substanz der Vorwürfe und dem Aufwand, mit dem sie verbreitet wurden.“ O-Ton Kepplinger.

Und genau dieser Meinung bin ich auch. Es kann sein, dass ich die Medien zu sehr von der Rezeption aus wahrnehme – also eher die Kommentare (als Reaktion auf die mediale Darstellung) beurteile als die Darstellung selbst. Die Kommentare verhalten sich aber zu den Artikeln wie die Börse zur Wirtschaft: sie übertreiben in jede Richtung (positiv wie negativ) und nehmen dabei die grundsätzliche Entwicklung vorweg. Hier sehe ich, wie Dinge aufgenommen wurden und werden – und das ist größtenteils erschreckend. Ich weiß nicht, wo da noch Spielraum für weitere, im Grade gesteigerte Empörung ist, wenn sich die Medien mal auf nordkoreanische Regierungschefs einschießen sollten. Kein Top-Terrorist, kein Diktator und Völkermörder wird je den Hass und die Abscheu auf sich vereinigen können, die in der öffentlich Rezeption zahlloser Tebartz-van Elst-Artikel tagtäglich spürbar war.

Man kann nur hoffen, dass die Medien ebenso sensibel und engagiert reagieren, wenn andere Leute lügen und Geld verschwenden. Wenn etwa ein Diözesanzentrum nicht gebaut, sondern in gewisser Weise alle vier Wochen abgerissen wird, so wie am Berliner Flughafen, der seit über einem Jahr monatlich Mehrkosten in Höhe der Gesamtkosten eines Limburger Diözesanzentrums auslöst. Richtig, hier mussten die Verantwortlichen auch Konsequenzen tragen: Rücktritt. Mit Millionenabfindung, wenn ich mich richtig erinnere.

Wie dem auch sei: Es gibt kein Recht auf Gleichbehandlung im Unrecht. Dass Wowereit noch im Amt ist und weitgehend unkritisch betrachtet wird, ist das eine. Dass Tebartz-van Elst nicht mehr im Amt ist, weil er kritischer betrachtet wurde, das andere. An einen Bischof sind sicher auch besondere Anforderungen zu stellen, was Ehrlichkeit und Sparsamkeit angeht. Völlig richtig. Dennoch fällt auf, dass die Medien (und die Rezipienten) in bestimmten Fällen einen Tick engagierter sind als in anderen. Wenn man dann nicht mehr sagen darf, dass es so ist, und wenn man dann nicht mehr fragen soll, warum das so ist, so ist das ein sehr schlechtes Zeichen für unser Gemeinwesen.

(Josef Bordat)

 

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