Mittelalter, Mittelalter!

20. September 2015


Hey, hey!

Woran glaubte man eigentlich im Mittelalter hinsichtlich des Lebensbeginns? Man glaubte, kurz gesagt, dass der Mensch im männlichen Samen bereits – winzig, aber vollständig und fertig ausgeprägt – vorhanden war und die Frau lediglich eine Brutstätte für diesen Mini-Menschen bildete.

Das führte zu der Vorstellung, man könne Menschen prinzipiell auch ohne Frau „erzeugen“, wenn man eine gebärmutterähnliche Trägersubstanz fände. Diese Homunculus-Theorie entwickelte immer skurrilere Hypothesen, etwa die des Paracelsus‘ („Frühe Neuzeit, Frühe Neuzeit! Hey, hey!“), der meinte, man könne statt einer Frau auch einen Behälter mit Pferdemist nehmen. Allerdings falle das Kind dann etwas kleiner und blasser aus – und das solle man nicht wollen.

Also: Der Embryo ist im Spermium vorgebildet, die Gebärmutter zwar ein nützlicher, mit Blick auf die Genetik des Kindes aber völlig unbedeutender – tja – Zellhaufen. Dass man ehedem so dachte, war übrigens nicht Schuld der Vernebelungstaktik einer frauenfeindlichen Kirche, sondern ging auf Aristoteles zurück, der damals – obgleich kein Kirchenmitglied – bei naturwissenschaftlichen Fragen hoch im Kurs stand.

Mittlerweile wissen wir es besser: Männliches und weibliches Erbgut sind gleichwertig. Beide bilden zu jeweils einer Hälfte die DNA des neuen Lebewesens. Übrigens haben wir dieses Wissen von einem katholischen Geistlichen aus dem 19. Jahrhundert, dem Augustinermönch Gregor Mendel.

Mendel veröffentlichte 1865 – also vor 150 Jahren – seine Erkenntnisse über die Vererbung bei Erbsen, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die Frau nicht nur die „Ackerfurche“ ist, in die der Mann seinen Samen legt, sondern dass „zur Bildung des neuen Embryo eine vollständige Vereinigung der Elemente beider Befruchtungszellen stattfinden müsse“.

Das bedeutet zugleich, dass mit der Vereinigung der Befruchtungszellen etwas Neues entstanden ist, das zwar von den Befruchtungszellen abstammt (zu je 50 Prozent), das nun aber eigenständig existiert. Dieses Wissen ist die Grundlage dafür, dass man meint, Abtreibungen seien keine außermoralischen Handlungen wie es Naseputzen oder Zahnstein entfernen (lassen) sind. Eine Meinung, wie sie von Lebensschützern vertreten wird.

Mit Blick auf die Geschichte der Genetik und Gregor Mendels epochale Entdeckung von 1865, wäre es beim nächsten Mal also angebracht, die passende Epoche zu skandieren: „Realismus, Realismus! Hey, hey!“. Geht doch auch.

(Josef Bordat)

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