Sterben und Tod in der Philosophie. Teil 2: Epikur und Lukrez

3. April 2012


Epikur und Lukrez sind wie Platon der Meinung, dass der Mensch den Tod nicht zu fürchten braucht, jedoch mit einer ganz anderen Begründung.

Epikur geht davon aus, „dass der Tod das am meisten Schrecken verursachende Übel“ sei. Deswegen muss man sich darum kümmern und versuchen, dem Tod den Schrecken zu nehmen. Epikurs Ziel ist es, die Todesfurcht nicht etwa durch Hoffnung zu überdecken, sondern sie als gegenstandslos zu entlarven. Wenn der Tod „unser Bewusstsein fortnehme“, dann sei „er nichts für uns und gehe uns nichts an“.

Weiter meint Epikur: „Solange wir Bewusstsein haben, fehlt der Tod. Ist der Tod da, so fehlt uns jegliches Bewusstsein.“ Deshalb habe der Tod für uns keine Bedeutung. Was logisch klingt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als unzulässiger Schluss von Bewusstseinsverlust auf Bedeutungsverlust. Denn die Vorstellung, im Tod das Bewusstsein für immer zu verlieren, hat durchaus Bedeutung und kann Angst machen. Verlieren wir auch im Tod das Bewusstsein des Lebens, so verlieren wir ein Leben lang nie das Bewusstsein des Todes. Die Folge: Der Tod beschäftigt den Menschen. Das zu leugnen, geht an der Wirklichkeit vorbei.

Epikur meint dennoch, dass eine Nichtsbeschäftigung mit Sterben und Tod die beste Lösung sei. Nur ein Leben ohne Todesbezug ist ein gelingendes Leben. Da es sich aber bei der Annahme, der Tod „gehe uns nichts an“, schon um einen Fehlschluss gehandelt hat, ist diese Folgerung ebenfalls falsch.

Gleichwohl fand sie in Lukrez einen Rezipienten, der sie weiterentwickelte und zuspitzte. Lukrez fand, „dass der Tod uns nicht das Geringste bedeutet“. Wer sich dennoch mit dem Lebensende beschäftige, mache sich selbst das Leben zur Hölle – schon vor dem Tod. Doch bietet Lukrez in seinem Bild vom Leben als Mahl, an dessen Ende ein gesättigter Gast Abschied nimmt, selbst eine Perspektive an, den Tod ins irdische Leben hineinzunehmen und zu verarbeiten. Als „Abschied“ gibt Lukrez dem Tod – positiv besetzt durch die Lebenssattheit des Abschiednehmenden – eine angenehme Bedeutung, die Trauernde trösten kann. Denn dem Sterben als „Abschied nehmen“ haftet durchaus etwas Befreiendes an. Ein „Mehr“ an Leben wäre ein „Zuviel“. Man kann das „Mahl“ nicht in alle Ewigkeit fortsetzen.

Also: Verdrängung, ganz im Gegensatz zu Platons Einübung, und – im Angesicht des Todes – Annahme, so wie bei Platon. Doch: Geht das – ohne jede Vorbereitung? Wer dem Tod den Schrecken nehmen will – ohne Bezug auf das Christentum oder religiöse Deutungen überhaupt – bedarf umso mehr einer Beschäftigung mit ihm, damit sich die Depotenzierung des Todes im Sterbeprozess tatsächlich als tröstlicher Halt erweist.

(Josef Bordat)

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