Ein Geist. Sieben Gaben

14. Mai 2016


Frömmigkeit ist für einen gläubigen Menschen eigentlich selbstverständlich. Es ist klar, dass man dem, den man liebt, auch nach besten Kräften dient, also Gottesdienst verrichtet, wozu uns der Geist Stärke geben möge. Auch, dass man regelmäßig betet und die Sakramente empfängt. Doch kommt es eben auf die Haltung an, in der unser Dienst geschieht. Wahre Frömmigkeit hat nichts mit dem äußeren Ritus zu tun, sondern mit dem Herzen, dem inneren Gespür für das, was passiert, wenn wir Gottesdienst feiern.

Zur Frömmigkeit gehört Gottesfurcht. Das hört sich nach Angst an. Doch Bangemachen gilt nicht! Es geht ja auch nicht darum, sich vor Gott zu fürchten wie man sich vor einer Spinne oder einer Krankheit fürchtet und deswegen alles tut, ihrer Existenz im eigenen Leben zu entgehen, sondern um Ehrfurcht vor Gott, um Respekt, um Achtung, also darum, eine Haltung höchster Wertschätzung zu entwickeln, die einen stets in die Nähe des Verehrten, Gelobten und Gepriesenen drängt, hin zur Frömmigkeit. Ehrfurcht ist also das glatte Gegenteil von Furcht, mit der genau entgegengesetzten Konsequenz: nicht Flucht vor, sondern gläubige Annäherung an Gott.

Wissenschaft schafft Wissen. Und damit zugleich neue Möglichkeiten, die Welt und den Menschen zu deuten. Man braucht dafür Fleiß und Ausdauer. Wissen zu erlangen ist kein Privileg von Genies, die kommen, sehen und verstehen, sondern die schwere Aufgabe aller Menschen, die in der Welt zurechtkommen wollen. Wissen ist etwas anderes als Information, es ist interpretierte Information. Für die richtige Deutung von Daten braucht es neben den Fertigkeiten der Forschungsdisziplin auch Frömmigkeit und Gottesfurcht.

Wissen führt zu Einsicht, ebenso die aus der Gottesfurcht erwachsene Frömmigkeit, auch sie führt zur Einsicht. Die Weisheit ist sicherlich die Königin der Einsicht, doch auch unterhalb der Schwelle zur höchsten Erkenntnis liegen Aspekte des Lebens, die einzusehen sich lohnt. Die Einsicht, dass man Rat braucht. Die Einsicht, dass es mit der eigenen Stärke nicht so gut bestellt ist, wie angenommen. Wir müssen bei der Einsicht in Dinge oft eine liebgewonnene Ansicht hinterfragen. Das ist nicht einfach, dazu braucht es die Vermittlung durch den Heiligen Geist.

Im Gegensatz zu Wissenschaft lässt sich Weisheit nicht erwerben, nicht erarbeiten. Weisheit ist einem Menschen gegeben oder eben nicht. Zu Wissen und Bildung kann man systematisch gelangen, nach bestimmten Regeln, auf festgelegten Wegen. Man muss sammeln, ordnen, deuten – kurz: aktiv werden. Weisheit aber verlangt einen gedanklichen Rückzug, eine Passivität, die sich beschenken lässt und zu einem gelassenen, humorvollen, spielerischen Umgang mit dem Wissen führt. Der Weise scheut sich nicht, sich selbst zu hinterfragen, und schließt dabei seine Fähigkeit, zu Einsicht zu gelangen, bewusst mit ein.

Die Fähigkeit, Anderen einen guten Rat zu geben, wird von einer Fähigkeit übertroffen: selber einen guten Rat von anderen Menschen anzunehmen. Braucht es für jenes Einsicht und Wissenschaft, benötigt dieses Weisheit. Hilfsbedürftigkeit zuzugeben, ist eine Schwäche, die wir nicht gerne offenbaren. Doch nur so lässt sich Hilflosigkeit, also: Schwäche, die uns offenbart, vermeiden. Der Heilige Geist hilft uns, dass wir uns helfen lassen, so, wie Er uns zu helfen hilft. Da Sein guter Rat teuer ist, üben wir uns zugleich in Gottesfurcht und Frömmigkeit.

Schließlich braucht man Kraft, um sich im Glauben zu bewähren und stets in der rechten Frömmigkeit zu leben. Die Stärke hat eine hässliche Schwester: die Gewalt. Gewalt tun wir einander an, wenn wir aus der Haltung des vermeintlich oder tatsächlich Stärkeren die Schwachen für ihre vermeintliche oder tatsächliche Glaubensschwäche verurteilen. Das kommt vor. Dabei fehlen dann die anderen sechs Gaben des Heiligen Geistes, vor allem die Weisheit.

(Josef Bordat)

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