Lieder, die verboten werden müssen. Jetzt.

12. Februar 2017


Nach dem skandalösen Fuchs-Lied (das mit der verharmlosenden Darstellung einer Tötungshandlung durch einen nicht näher bezeichneten Jäger) muss aufgeräumt werden im deutschen Liederland! Faschistoide Machwerke, die mikrosome Cismänner verspotten („Hänschen klein“) gehören ebenso auf den Index wie „Backe, backe Kuchen“ (gemäß Eingabe der deutschen Diabetesgesellschaft) oder auch… „Atemlos“. Sag ich mal so. Ein Großteil der Musikstücke ist unvereinbar mit den schmerzlichen Gefühlen angesichts der dramatischen Folgen jüngster Finanzkrisen („Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld“), gibt deren Bewältigung durch das subventionierte europäische Bankensystem tendenziös wieder („Die Karawane zieht weiter“), verhöhnt die zunehmend restriktive Praxis baden-württembergischer Behörden in Fragen des Aufenthaltsrechts („Muss i denn, muss i denn / zum Städtele hinaus“) sowie die Beziehung von liberalem Bürgertum und restriktiver Staatsräson im Hinblick auf Justizvollzugsanstalten in der Volksrepublik China („Einer geht noch, einer geht noch rein“). Nur sehr fragmentarisch, doch letzlich unverkennbar offenbaren sich die Anzeichen unverantwortlicher Kulturkritik in Liedern wie „Jetz’ geht die Party richtig los“, „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ oder „Mensch“. Jede angemessene protorevolutionäre Regung kulminiert dabei im Fatalismus („Ja, wenn das so ist, dann ,Prost’“). All das gehört verboten. Jetzt.

Vereinzelt lassen zielgerichtete Anfragen an gustorische Präferenzen unter Einschluss spezifischer Voluntarität („Oh, la, la. Willst du eine Pizza?“) die Vermutung zu, es solle damit die Permanenz sympathetischer Geistesgemeinschaft angeregt werden („Äschte Fründe stonn zusamme’“), getragen vom Appell an die Gemütslage unbestimmter Kardial-Diminutive („Herzilein, du sollst nicht traurig sein“), der nicht selten in die Aufforderung zur singulären gemeinschaftlichen Flüssigkeitsaufnahme mündet („Drink doch eene mit“). Aber: Nein! Die grausame Wahrheit zeigt sich unübersehbar in unzweideutigen Transportationsofferten, die im Kontext des Strukturwandels innerhalb landwirtschaftlicher Produktionsbetriebe der Voralpenregion geradezu absurd erscheinen („Resi, I hol di mit’m Traktor ab“). All das gehört von heute an verboten. Mindestens.

Auch das unsägliche „Ich gehe mit meiner Laterne“, das einen bedenklichen Subtext birgt, welcher geeignet ist, die Sän_ger*Ix irreversibel zu indoktrinieren, muss umgehend aus dem Verkehr gezogen werden. Der Text ist nachfolgend dokumentiert: „Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir. / Dort oben leuchten die Sterne und unten da leuchten wir. / Mein Licht ist aus, ich geh’ nach Haus’, / rabimmel rabammel rabumm“. Hier merkt doch jeder Mensch mit einem Rest an Anstand sogleich: Die weltanschauliche Neutralität dieses so genannten „Laternenliedes“ ist nicht gegeben.

Es beginnt mit einer Verhöhnung des Selbstbestimmungsrechts freier Individuen in einer modernen Gesellschaft durch die Macht der Kirche, die auf antiindividualistische Zwangsvergemeinschaftung basiert und in einer auf Repression und Unfreiheit fußenden Bindung des Menschen an sein Artefakt mündet: „Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir“. Die in Aussicht gestellte Autonomie („Ich“) und die scheinbare Freizügigkeit („gehe“) wird durch die kollektivistische Auflage („mit“) und die Fesselung an das im Zuge rücksichtsloser Indoktrination stark verinnerlichte („meiner“) Symbol der Unterdrückung („Laterne“) zynisch konterkariert. So wie die Kirche seit Jahrtausenden Menschen unterdrückt, so unterdrückt hier die „Laterne“ die Freiheit dessen, der sie sich gutgläubig zu eigen macht und damit in eine Abhängigkeit gerät, die in ihrer stabilen Konstitution nicht mehr zu brechen ist, ohne dass der Mensch selbst daran zerbricht. Am Ende „geht“ hier ein Mensch, der ohne seine „Laterne“ im Duktus der Liedtextdiktion keine Daseinsberechtigung mehr hat. Um darüber hinwegzutäuschen, wird die Verbindung wechselseitig konstruiert und zu einer vitalen Verzahnung von Mensch und „Laterne“ umgedichtet („Ich gehe mit meiner Laterne und[sic!] meine Laterne mit mir“). In Wahrheit wurde der Mensch jedoch längst zum Opfer der „Laterne“, also: der katholischen Kirche.

Es folgt eine wahnwitzige Idealisierung der Lebenswelt derer, die unter eben jener klerikalen Repression leiden: Dort oben leuchten die Sterne und unten da leuchten wir. Die unterdrückten Massen werden durch die absurde Analogie („Sterne“ – „wir“) in einer menschenverachtenden Weise verspottet. Zudem erinnert der Sternenhimmel („oben“) an die von brennenden Scheiterhaufen übersäte Erde („unten“), ein Umstand, der durch die euphemistische Zustandsbeschreibung („leuchten“) dramatisch verharmlost wird. „Mein Licht ist aus“ muss als die geradezu logische Konsequenz dieser Verhältnisse gelten. Wie sollte es außerdem anders sein, in einer Lebensform, in der kirchliche Ignoranz gegenüber dem „Licht“ den Gläubigen das Dasein verdunkelt und der Aufklärung keine Chance auf Entfaltung gibt? Für Wissenschaft und Bildung ist es im klerikalen Repressionssystem umgehend „aus“! Dem seiner Würde vollends beraubten Menschen bleibt nichts anderes übrig: ich geh’ nach Haus’. Das gegängelte Pseudoindividuum endet im „Haus“, einem dogmatisch eingezäunten und strengstens bewachten Sittengefängnis, in dem sämtliche Lebensvollzüge permanent kontrolliert werden.

Doch damit nicht genug: Die Gewaltaffinität des Christentums gipfelt in der martialischen Schlusszeile: „Rabimmel, rabammel, rabumm“. Man sieht vor dem freigeistigen Auge die Folterknechte des Pfarrgemeinderats vor der Tür jenes Hauses („rabimmel“), bekommt eingedenk der tradierten Grausamkeiten unweigerlich Angst („rabammel“) und kann sich wegen des großen Einflusses der Kirche gegen die vom Bischof angeordnete Zwangsöffnung („rabumm“) juristisch nicht zur Wehr setzen (Staatskirchenrecht). Die Trennung von Kirche und Staat ist hier eindeutig nicht mehr gegeben.

Nun könnte man meinen, verbrecherisch-menschenverachtendes oder nicht-veganes Liedgut sind ein rein deutsches Problem. Nein! Ein Fall aus den USA zeigt das glatte Gegenteil. Es geht um eine junge Dame, die eine Mitfahrgelegenheit ins kalifornische „Mendocino“ sucht und deren Zwangslage schamlos ausgenutzt wird. Wo sich die Person zum Zeitpunkt ihres Gesuchs aufhielt, ist unbekannt, der Angabe des mutmaßlichen Tatverdächtigen nach („auf der Straße nach San Fernando“) ist allerdings davon auszugehen, dass ihr Zielort fußläufig vor Einbrechen der Dunkelheit nicht mehr zu erreichen war. Zudem habe sich das Opfer „wartend in der heißen Sonne“ befunden. Es ist also davon auszugehen, dass die junge Frau bereits unter erheblicher Dehydrierung gelitten haben muss und daher ihr „nimm mich bitte mit nach Mendocino“ ausschließlich als Hilferuf in einem subjektiven Notstand zu verstehen ist. Anders offenbar die Interpretation des bereits mehrfach vorbestraften Fahrzeughalters. Auf seine Mobilitätsmacht gestützt erfolgt eine genaue Beobachtung des Opfers: „Ich sah ihre Lippen, ich sah ihre Augen“, bei der sich der Mann in seiner Obsession selbst Details merkt („die Haare gehalten von zwei goldenen Spangen“). Unter diesem enormen Druck ist die zweckopportune Einlassung der jungen Frau („Sie sagte, sie will mich gern wiedersehn“) gegenstandslos. Dennoch raubte es dem Tatverdächtigen die letzte Kontrolle über Sinne und Verstand: „Doch dann vergaß ich leider ihren Namen“. Die Konsequenz: Er fährt nach eigenen Angaben nun jeden Tag nach Mendocino („Ich fahre jeden Tag nach Mendocino“), um die junge Dame ausfindig zu machen, auf Mithilfe der 894 Einwohner (Stand: 2010) hoffend („An jeder Tür klopfe ich an“), vergeblich, wie sich herausstellt („Doch keiner kennt mein Girl in Mendocino“). Hinweise auf den Verbleib der Frau nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

Ein weiteres Beispiel besonders drastischer Ungerechtigkeit im Verhältnis der Geschlechter zeigt sich in einem Lied, das andeutet, wie tief bereits die hierarchisierte Sozialstruktur in Ritualen an und für sich zweckfreier Freizeitgestaltung verwurzelt ist: „Er steht im Tor, im Tor, im Tor und ich dahinter“. – Er „im Tor“, ich „dahinter“. Deutlicher ist das Rollenverhältnis selten auf den Punkt gebracht worden. Durch die dreimalige Wiederholung („im Tor, im Tor, im Tor“), die wie Hammerschläge auf die transsexuell-feminine Seele einwirken, wird die Feststellung „und ich dahinter“ dramatisch vorbereitet. Der Mann steht im Tor und damit gleichsam im Zentrum der Macht, die Frau bleibt dahinter verborgen und von jeder Partizipationsmöglichkeit prinzipiell ausgeschlossen. Das Spiel, um das es geht, findet ohne sie statt. Mehr noch: „Frühling, Sommer, Herbst und Winter bin ich nah bei meinem Schatz / auf dem Fußballplatz“. Der Mann wird als „Schatz“ verklärt, die Frau hat ihm permanent („Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter“) „nah“ zu sein, ganz gleich, an welch’ unwürdigen Stätten er sich aufhält („auf dem Fußballplatz“). Dass dies nur unter Aufgabe aller Minimalanforderungen an Geschlechtergerechtigkeit realisierbar ist, wird verschwiegen. Ergo: Verbieten! Sofort. Sofort verbieten!

Doch nicht nur die psychosozialen Interdependenzen des Freizeithabitus stabilisieren das Patriarchat, nein, es sind auch die in den familiären Strukturen über Generationen tradierten männlichen Vorstellungen zur Daseinsbewältigung, die Frauen einseitig auf ihre Opferrolle festlegen. Dies kulminiert vor dem Hintergrund der kontemporären Anthropologie in einer subtilen Indoktrination hinsichtlich unterstellter genetischer Dispositionen, die angeblich geeignet seien, die patriarchalischen Abhängigkeitsverhältnisse biologistisch zu legitimieren: „Mein Vater war ein Wandersmann und mir steckt’s auch im Blut“. – Die wehrlose Tochter ist prädeterminiert durch Leidenschaften des „Vaters“, ohne die Möglichkeit zu haben, eigene Strategien zur Verortung von Lebensinteressen zu entwickeln. Die Verzweiflung, die angesichts der ausweglosen Interdependenz nur zu verständlich ist, wird durch fatalistischen Zweckoptimismus zu überwinden versucht („D’rum wand’re ich froh“), der die Frau an die Grenzen ihrer Resistenzen führt („so lang ich kann“), gepaart mit übersprungshafter Kompensationsaffektivität („und schwenke meinen Hut“). Im sich unmittelbar anschließenden Refrain zeigen sich erste Spuren eines beginnenden inneren Verfalls („Falderi, faldera“), der sich in bizarren Wahn steigert („Falderi, falderahahahaha“). Es wird klar: Die Tochter ist das a priori wehrlose Opfer der grausamen Methoden des penetranten „Vaters“, der sein Partikularinteresse am „Wandern“ ins „Blut“ seiner weiblichen Nachkommenschaft „steckt“. Es stellt sich angesichts dessen die Frage: Wo ist die Mutter des Opfers? Ist sie etwa – verzeihen Sie mir die polemische Note – „Wandersfrau“? Sicherlich nicht! Die Einseitigkeit manipulativer Edukationsansätze unter der falschen Prämisse genotypischer Realitäten und fragwürdiger epistemologischer Paradigmata ist offenkundig.

Ergo: All das gilt es zu verbieten!

Jetzt.

(Josef Bordat)

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