Klarstellung

9. Januar 2012


Es gab viele Rückmeldungen zu dem Text Feinbild. Positive, negative, kritische, lobende, skeptische, enthusiastische (ja, die auch) – wie sich das gehört. Die überwiegende Mehrheit der Leserinnen und Leser hat dabei den Beitrag so verstanden, wie ich ihn meinte: als Fundamentalkritik am Feindbilddenken.

Es hat zu dem Beitrag aber auch einige Irritationen gegeben, die zu einer recht skurrilen Diskussion in einer Facebook-Gruppe führten, deren Inhalt sich im Grunde in – meiner Ansicht nach unbegründeten – Vorhaltungen erschöpft, dahingehend, dass mir erst vorgeworfen wird, es ginge mir um völlig andere Dinge als um die, um die es mir ging, um mir dann in Verlängerung des Vorwurfs vorzuwerfen, durch stilistische Finessen und editorische Tricks meine Absichten zu verschleiern und die Missverständnisse, die sich ergaben, bewusst in Kauf genommen zu haben, ja dass ich sogar als Autor förmlich davon lebe, meine Leser zu provozieren, zu verwirren und zu täuschen, weil nicht klar ersichtlich sei, worauf ich mich beziehe.

Das alles kam für mich sehr überraschend, da ich denke, dass der Text in Art und Form, in Ausführung und Aussage glasklar war, um nicht zu sagen, transparent, und damit sehr deutlich wurde, worum es mir ging, nämlich u.a.

  • nicht um Nigeria, sondern um Ägypten,
  • nicht um Terrorakte, sondern um einen gemeinsamen Gottesdienst,
  • nicht um die Rechtfertigung von Bösem, sondern um die Kritik der Rechtfertigung von stereotypen Zuschreibungen des „Bösen“ zu Personengruppen, unabhängig von deren tatsächlichem Verhalten,
  • nicht um eine künstliche Diskussion zu einem nicht relevanten Thema, sondern um einen Beitrag zu einer bestehenden Diskussion zu einem relevanten Thema (i.e. die Frage nach dem Umgang mit dem Islam),
  • nicht darum, im Teaser (Wenn ein Moslem mir einen „Guten Tag!“ wünscht, meint er dann in Wahrheit: „Denn morgen bringe ich Dich um!“?) die Eruierung eines realen Sachverhalts in meinem Berliner Alltagsleben anregen zu wollen, sondern diejenigen zu persiflieren, die an Feindbildern festhalten und gemäß ihres Feindbilds genau so denken müssten (Stichwort: negative Antizipation).

Das alles schien mir klar zu sein. War es aber offenbar nicht. Ich habe auf Wunsch des Gruppenadministrators die Aussageabsicht meines Textes noch einmal zusammengefasst: „Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass diejenigen, die im Zusammenhang mit bestimmten Menschen(gruppen) hinter jedem Verhalten das Böse wittern, einem Phänomen erlegen sind, das man ,Feindbild‘ nennt und dass es die Funktion christlicher Feindesliebe ist als ,Entfeindungsliebe‘ eben diese Feindbilder abzubauen.“

Wer nun meint, die Reaktion darauf lasse erkennen, wie toll es doch ist, den Autor „vor die Flinte“ zu kriegen, ihn persönlich zu befragen, Erläuterungen zu erhalten und das alles prompt und kostenlos, der sieht sich getäuscht. Was folgte, war nicht ein „Ach, so. Danke sehr! Schönen Tag noch.“ oder eine Nachfrage zur inhaltlichen Auseinandersetzung („Was verstehen Sie genau darunter?“, „Wie soll das gehen?“ etc.), sondern der Beginn einer üblen Unterstellungsorgie, die sich erst auf die Formalia des Textes, dann auf meine Person bezog. Und da ist für mich Schluss.

Ironischerweise könnte ich sehr gut verstehen, wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mir nunmehr mangelnde Klarheit vorwürfen, da ich jetzt sehr kryptisch bleibe! Dazu kann ich nur sagen: Es handelt sich bei der Gruppe um eine „secret group“, so dass die Diskussion nicht offen einsehbar ist. Eine Verlinkung ist daher wohl weder erwünscht noch zielführend. Da ich mittlerweile kein Gruppenmitglied mehr bin, habe ich keinen Zugang mehr zu den Beiträgen (auch nicht zu meinen), kann also leider keine Kostproben der eigenartigsten Diskussion geben, die ich in letzter Zeit geführt habe. Selten sind mir meine Worte so verdreht worden, selten ist das Thema so oft gewechselt worden hin zu den Rändern des Universums, selten sind mir meine zweideutigen Aussagen (ja, auch das kann passieren) so konsequent ungünstig ausgelegt worden wie in dieser Diskussion. Ich hatte den Eindruck, es ging allein darum, mir irgendeinen Strick zu drehen und mich aus der Gruppe zu werfen. Wieso, weshalb? Und warum nicht einfach: „Bordat: Raus!“ Spart Zeit und Energie!

Im übrigen ist sie, die Diskussion, so abwegig, ja, geradezu absurd, dass es wohl Niemandem etwas bringen würde, sie im Detail nachzulesen. Ich habe auch nicht die Erlaubnis, hier Auszüge aus der Diskussion zu veröffentlichen (selbst, wenn ich die Beiträge hätte). Mit der Gruppe (und ihren federführenden Mitgliedern) möchte ich nach Möglichkeit nichts mehr zu tun haben, schon um weiteren Eskalationen (und auch weiteren Missverständnissen) zu wehren. Allerdings möchte ich auch keine „schmutzige Wäsche waschen“ oder „nachkarten“, zumal Details des konkreten Falls nur von begrenztem Interesse sein dürften.

Ich habe selten eine solch negative Stimmung erlebt, die jeder kausalen Grundlage entbehrte. Ich meine, ich habe ja keinen Völkermord begangen, sondern einen Text geschrieben! Auf Einwände habe ich versucht, nach bestem Wissen und Gewissen zu antworten. Bloß: Es half nichts! Was bleibt, ist Ratlosigkeit.

Das, was heute Nachmittag und heute Abend in dieser Gruppe passiert ist, ist mit Sicherheit der Tiefpunkt in der (fast) vierjährigen Geschichte von Jobo72’s Weblog gewesen, ein an Unsachlichkeit und – um offen zu sein – Unverschämtheit mir und meiner Arbeit gegenüber kaum zu überbietender Versuch der Diskreditierung meiner Identität als Autor – mit lächerlichen Mitteln zwar, aber es ist der Versuch, der zählt. Es geht mir nicht um Kritik in der Sache, die bin ich gewohnt und mit der kann ich umgehen, es geht mir um die Art der Urteilsbildung und um die rasante Eskalation der Vorwürfe.

Doch, wie gesagt, mir geht es nicht um ein Wiederaufflammen-Lassen der Auseinandersetzung, sondern vielmehr darum, solche unschönen Vorgänge für die Zukunft möglichst auszuschließen, obwohl ich heute Abend ganz ehrlich am liebsten die Brocken hinwerfen würde. Wenn man so wenig Gespür für Zusammenhänge und so wenig Anstrengung erkennt, Schwieriges vielleicht doch zu verstehen und (ja, auch das!) so wenig Wohlwollen als Autor erhält, wenn man stattdessen so viel kalkuliertes Missverständnis erntet, dann muss man sich wohl fragen, ob es das alles wert ist.

Gut, ich gebe zu: Meine Texte verlangen einen gewissen Grad an Abstraktionsvermögen und die Bereitschaft zur sorgfältigen Lektüre. Mit dem Lesen von Überschriften oder Teasern ist es bei Jobo72’s Weblog nicht getan. Das tut mir Leid, doch das wird sich auch künftig so schnell nicht ändern. Zugleich gilt: Für Menschen, die nur Überschriften und Teaser lesen und dann gleich drauflos urteilen, fühle ich mich nicht verantwortlich.

Ich kann nicht verlangen, dass man meine Texte versteht. Das ist klar. Ich kann aber wohl verlangen, dass man bei Verständnisschwierigkeiten zunächst nachfragt, bevor man abstruse und ehrverletzende Behauptungen in die Welt setzt und mich persönlich beleidigt. Auch das dürfte klar sein.

Noch etwas: Wenn Mitglieder der Gruppe diese Klarstellung lesen und der Ansicht sind, ich sei unfair mit ihnen umgegangen, können Sie mir dies durch eine Mitteilung zur Kenntnis geben. Wenn diese Mitglieder einer Veröffentlichung des Diskussionsverlaufs zustimmen, bin ich der letzte, der etwas dagegen hat. Bin ja nicht der Bundespräsident.

(Josef Bordat)