„Kinderficker-Sekte“

15. Februar 2012


In Deutschland ist es verboten, Glaubensbekenntnisse, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen öffentlich zu beleidigen. Strafbar ist die Beleidigung allerdings nur dann, wenn sie zudem „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Das steht in § 166 StGB.

Aufgrund von jenem § 166 StGB hatte die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen den Betreiber einer Internetseite erhoben, der die Römisch-Katholische Kirche eine „Kinderficker-Sekte“ genannt hatte. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sah darin keine strafbare Beleidigung. Es stört also nach Ansicht des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten den „öffentlichen Frieden“ nicht, wenn ein Drittel der deutschen Wohnbevölkerung und jeder sechste Mensch auf Erden als Mitglieder einer „Kinderficker-Sekte“, dann also wohl auch als „Kinderficker“, bezeichnet werden.

Begründet wird die Weigerung, das Hauptverfahren gegen den Angeklagten zu eröffnen, damit (und jetzt halten Sie sich bitte alle irgendwo fest, denn jetzt wird’s zirkulär), dass es „heftige Diskussionen in der Öffentlichkeit zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche“ gebe. Offenbar will man hier also die Beleidigung als spezielle Ausdrucksform der ohnehin „heftigen Diskussion“ in selbiger untergehen lassen. Motto: Wenn alle ein bisschen schmähen, darf der Einzelne auch mal beleidigen. Die Notwendigkeit, einen Kreislauf zu unterbrechen, bevor er zur Spirale wird, sah das Gericht offenbar nicht. Wir lernen: Man darf treten, solange alle schlagen.

Andererseits bedeutet das ja: Der „öffentliche Frieden“ ist längst gebrochen, der Krieg gegen die Kirche längst im Gange. Da man aber nicht die halbe Nation nach § 166 StGB für „bis zu drei Jahre“ wegsperren kann, hängt man halt die Latte für eine Friedensstörung so hoch, dass auch derjenige spielend drunter durch schlüpft, der sie eigentlich meterhoch überspringt. Aus der Mathematik wissen wir: Wer einen beliebigen Punkt als Nullpunkt sehen will, muss nur das Koordinatensystem verschieben. Lesson learned!

Nähere Informationen zu dem Fall gibt es auf der Seite Kultur und Medien.

(Josef Bordat)

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