Wer bin ich? Wo bin ich?

31. Januar 2013


Und bin ich richtig, wenn ich dort bin?

Mit Norbert Kebekus von der Sende-Zeit bin ich in Sachen Sinus-Studie der Meinung, mich erst mal informieren zu sollen, bevor ich meine, mich äußern zu können. Das Thema läuft ja auch nicht unbedingt weg, auch wenn die Debatte irgendwann einer anderen Sau weichen muss. Und weil gerade Karneval ist, habe ich wenig Lust auf allzu tiefe methodologische und inhaltliche Auseinandersetzungen, zumal ja offensichtlich ist, dass die Probanden nicht die Kirche, sondern ihr Bild von der Kirche bewerten, was problematisch wird, wenn dieses ein Ergebnis „massenmedial propagierter Phrasen und ohnehin vorhandener Vorurteile“ (Ockenfels) ist, was vermutet werden darf, nimmt man doch die Probanden paritätisch aus den zehn Milieus, obwohl die, die etwas mehr von der Kirche verstehen, weil sie an deren Programm nicht nur zu Weihnachten teilnehmen, hauptsächlich in zwei Milieus zu Hause sind. So bekommt man eine Vorstellung der Gesellschaft von der Kirche, aber keine Innenperspektive, kein valides Votum aus Sicht der Kirchgänger, was bei einer Stichprobe von 100 aus einer Grundgesamtheit von 25 Millionen – „Wir reden also von rund 0,004 Promille aller Katholiken.“ (Kissler) – ohnehin nicht gelingen kann.

Was soll’s. Weil aber, ich erwähnte es, gerade Karneval ist, darf ein wenig Fundamentalkritik aus Narrenfreiheit nicht fehlen. Also: Taugt der Ansatz der zehn Milieus, um die Kirche sinnvoll beraten zu können? Das heißt: Taugt er überhaupt, heute, wo jeder sein eigenes Milieu ausprägt? Ich meine: nehmen Sie mich! Bin ich Teil des konservativ-etablierten Milieus, weil ich Angela Merkel gut finde und einen festen Wohnsitz habe? Bin ich im traditionellen Milieu verhaftet, weil ich zu Paulus stehe („Prüfet alles, behaltet das Gute“)? Bin ich im liberal-intellektuellen Milieu, weil ich mal Abitur gemacht habe und mal jemanden kannte, der mal bei jemandem wohnte, der vorgab, schon mal FDP gewählt zu haben – „kurz nach der Wende“? Bin ich etwa im sozialökologischen Milieu eingepflanzt und verwurzelt, weil ich – aus Imagegründen – Müll trenne und bei der Gelegenheit immer mal nach Pfandflaschen gucke? Bin ich in der bürgerlichen Mitte, weil ich denke, dass das wohl ganz gut passt (so von allem etwas halt)? Bin ich im prekären Milieu gefangen, weil man Arbeitsvertrag demnächst ausläuft und ich für (hoch gegriffen) 3 Euro die Stunde arbeite? Bin ich im Milieu der Performer, weil ich jedes Jahr mein Sportabzeichen mache? Bin ich im expeditiven Milieu, weil ich weiß, wie man herausfinden könnte, was „expeditiv“ bedeutet? Oder bin ich im adaptiv-pragmatischen Milieu, weil ich weiß, dass es sich wohl kaum lohnt, herauszufinden, was „adaptiv-pragmatisch“ bedeutet (Andere wissen das ja auch nicht!)? Oder aber bin ich schon so tief ins hedonistische Milieu hinabgesunken, dass ich gar nicht mehr merke, wie gerne ich Bier trinke – zumal jetzt, im Karneval?

Ich frag ja bloß.

(Josef Bordat)

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