Geduld und Respekt. Anmerkungen zum Zeugnis 2.0

24. Januar 2014


Papst Franziskus sagt in seiner Botschaft zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel: „Christliches Zeugnis gibt man nicht dadurch, dass man die Menschen mit religiösen Botschaften bombardiert, sondern durch den Willen, sich selbst den anderen zu schenken ‘durch die Bereitschaft, sich mit Geduld und Respekt auf ihre Fragen und Zweifel einzulassen, auf dem Weg der Suche nach der Wahrheit und dem Sinn der menschlichen Existenz’ (Benedikt XVI., Botschaft zum 47. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel, 2013).“

Das ist sicher richtig, doch setzt es voraus, dass die Einlassungen auf die „Fragen und Zweifel“ mit dem gleichen Respekt verhandelt werden wie die „Fragen und Zweifel“ selbst. Das markiert die Differenz zwischen Interesse und Provokation, zwischen der Absicht, etwas vom Anderen zu erfahren und sich daher auch auf die Rekonstruktion von Streitgegenständen aus dessen Sicht einzulassen und der Absicht, den Anderen in den Rahmen des eigenen Bezugssystems zu pressen, um ihn besser bloßstellen zu können. Zu kryptisch? Ich denke, Stefan Ehrhardt konnte kürzlich einschlägige Erfahrungen machen und liefert dankenswerter Weise aussagekräftiges Anschauungsmaterial.

Es hat dann keinen Sinn, mit Menschen zu diskutieren, wenn diese nicht das geringste Interesse daran haben, die unterschiedlichen Begriffsdefinitionen, an denen es ja oft liegt (man denke an die verschiedenen Gottesbilder), zunächst in ihrer Unterschiedlichkeit zu beschreiben, zu verstehen (soweit das möglich ist) und anzunehmen (mit dem höflichen Hinweis auf die eigenen Akzeptanzgrenzen, ohne diese absolut setzen zu wollen). Damit werden solche Gesprächsteilnehmer weder der oft postulierten „Wissenschaftlichkeit“ ihrer Beiträge noch der (vom Anderen) geforderten „Toleranz“ gerecht.

Auch Christen, die im Internet Zeugnis von ihrem Glauben geben, genügen sicherlich nicht immer den Ansprüchen an ein offenes, ernsthaftes Gespräch, gerade weil sie begrifflich zu viel voraussetzen oder (als gebrannte Kinder) schnell und manchmal eben auch zu schnell aufgeben, da sie beim Gesprächspartner kein wirkliches Interesse vermuten. Oft ist es aber gerade so, dass sich hinter Provokationen und einer schier unfassbaren Arroganz große Unsicherheit und ein fast flehentliches Werben um Anerkennung und Zuneigung steht. Als ganz junger Student hatte ich auch Phasen, in denen ich dachte, ich wüsste bereits alles (wirklich: alles). Ich war überheblich, weil ich unsicher war. Und einsam.

Sicherlich gibt es untrügliche Zeichen, ja, geradezu feste Codes, die andeuten, dass es kaum Sinn hat, sich weiter in eine Diskussion einzubringen, etwa dann, wenn einem die Fähigkeit, ein vernünftiges Gespräch mit konsistenter Argumentation zu führen, (als Christ) pauschal und a priori abgesprochen wird. Dabei stellt sich zwar die Frage, warum der intellektuell so ribérymäßig überlegene Gesprächspartner aufgrund dieses Befundes nicht schon von sich aus die Debatte abbricht bzw. warum er sie unter der Voraussetzung, mit einem debilen Fanatiker zu sprechen, überhaupt aufgenommen hat, aber sei es drum. In solchen Fällen ist es schwer, die Geduld nicht zu verlieren. Und den Respekt gleich mit.

Ich denke, die „authentische Begegnung“, von der Papst Franziskus spricht, ist nur in einem persönlichen Gespräch möglich, in dem es auch gelingen kann, hinter die Fassade zu blicken, sei es eine aus aalglatten Argumenten (oder was man jeweils dafür hält) oder rotzfrechen Rüpeleien. Im Internet ist das praktisch unmöglich. Es mag besondere Seelen geben, die sich in übermenschlicher Geduld auch dann noch an den unverschämtesten Anonymus verschenken, auch dann noch Respekt zeigen, wenn ihnen jegliche Würde genommen worden ist. Vielleicht sind das die Neuen Märtyrer, die Neuen Heiligen – ich meine das durchaus so, wie ich es schreibe. Und ich weiß auch: Ich gehöre wohl nicht dazu.

(Josef Bordat)

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