Schöne neue Welt

6. Mai 2015


Alipius Müller verlinkt auf zahlreiche englischsprachige Artikel, in denen die Auswirkungen von Nichtdiskriminierungsgesetzen beschrieben wird, an Beispielfällen in den USA. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung lautet: Die privatrechtliche Vertragsfreiheit wird zugunsten einer Kontraktionspflicht (auch gegen Vorbehalte des Gewissens) abgeschafft. Damit ist nicht die Gewissensfreiheit an sich abgeschafft, doch eine Gewissenentscheidung wird mit schweren, existenzbedrohenden Prüfungen belegt.

Geistlichen, die keine Homosexuellen verheiraten wollen, droht eine Gefängnisstrafe. Bäckern, die für die anschließende Kaffeetafel keine Torte beitragen wollen, müssen eine sechsstellige Summe Schmerzensgeld zahlen. Inhaber von Pizzerien werden mit dem Tode bedroht, weil sie das Buffet für die Feier am Abend nicht gestalten mögen. Fotographen, die von der Feier keine Bilder machen wollen, sehen sich zur Geschäftsaufgabe gezwungen. Eine Initiative, die den Betroffenen hilft (auch finanziell), fasst dies wie folgt zusammen: Persecution Against U.S. Christians On the Rise.

Ich finde es grundsätzlich schwierig, einen Teilnehmer auf dem freien Markt zum Abschluss eines Vertrages zu zwingen, denn dafür ist der Markt ja frei. Natürlich spielt der Preis eine Rolle, wenn es darum geht, einen Kaufvertrag abzuschließen, aber auch das Vertrauen und längerfristige Überlegungen. So kann es durchaus sein, dass nicht dem Meistbietendem das Haus der Großeltern verkauft wird, sondern einem Kaufinteressenten, der einem persönlich sympathisch ist. Das diskriminiert freilich den Unsympathen.

Als ich mich in den ersten Wochen meiner Berliner Zeit in ein Frauencafé verirrte, verweigerte man mir aufgrund meines Geschlechts und mit dem höflichen Hinweis „Hier ist nur für Frauen!“ den Verkauf eines Bieres. Auch, wenn es mich diskriminiert hat, ist es kein Problem. So empfand ich es, so empfinde ich es auch heute: Ich habe einfach kein Recht auf Abschluss eines Kaufvertrags, nur, weil ich ein Interesse daran habe. Das grundsätzliche Interesse des potentiellen Vetragspartners kann ich – soweit dieser als Verkäufer ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags gemacht hat – zwar vermuten, das unbedingte Interesse aber nicht voraussetzen.

In den vorliegenden Fällen ist es zudem wohl so, dass die Gewerbetreibenden gar kein Problem damit haben, Verträge mit Homosexuellen zu schließen. Nur wollen sie nicht an Dingen teilhaben, die sie aufgrund ihres Glaubens ablehnen. Das verbietet ihnen ihr Gewissen. Die Feier einer Verpartnerung Homosexueller gehört zu diesen Dingen. Während sie also sehr wohl an homosexuelle Personen Kuchen und Pizza verkaufen und homosexuelle Personen fotografieren würden, so möchten sie nicht zum Gelingen einer Veranstaltung beitragen, deren Zweck es ist, etwas zu feiern, das sie ablehnen.

Ich finde das nachvollziehbar. Denn einmal geht es um die Person (die darf selbstverständlich nicht diskriminiert werden) und einmal um eine Institution, eine Einrichtung, die durch Personen konstituiert wird und die man für falsch halten und entsprechend ablehnen dürfen sollte. In den USA wird das offensichtlich anders gesehen. Ganz anders. Die Folge: Zwei Homosexuelle, die einigermaßen Geschäftssinn haben, können auf der Basis einer solchen Auslegung der Nichtdiskriminierungsgesetze übrigens das eigene Vermögen erheblich steigern, völlig risikolos. Schmerzensgeld als moderne Art der Mitgift. Ganz nebenbei kann man christliche Kleinunternehmer in ihrer Existenz zerstören und eine gewisse Berühmtheit erlangen. Schöne neue Welt. Für einige Diskriminierte.

(Josef Bordat)

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