Facebook. Nullsummenlogik. Totalitarismus

2. Juli 2015


Es ist ja schon so, dass man, wenn Themen anspricht, bei denen Homosexualität mittelbar eine Rolle spielen könnte, es sich nach wenigen Minuten anfühlt wie im Inneren eines Hornissenbaus. Allzuviel besonnenes Nachdenken kann man da nicht mehr erwarten.

Zur Sache. Es ging mir hiermit (ausnahmsweise mal) nicht ausschließlich um Homosexualität, sondern um Totalitarismus. Wenn Menschen Angst haben, das Nicht-Bekenntnis zu einer Sache könne negative Folgen haben, dann muss man ernsthaft untersuchen, ob das an den Menschen oder an der Sache liegt. Zumindest könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich eine solche Untersuchung lohnte.

Ich vermute im Fall des politisch gewendeten Regenbogens: an beidem. Es handelt sich bei denen, die ängstlich nachfragen, ob man sich in der Öffentlichkeit (sprich: im Facebook) auch ohne Regenbogenhintergrund zeigen darf, sicherlich um ohnehin stark von Gruppenzwang beeinflusste Jugendliche. Wenn aber überhaupt erst ein Druck entstehen kann, dann wohl aufgrund der Nullsummenlogik: Entweder Du bist für uns (Dann zeig gefälligst Flagge!) – oder Du bist unser Feind (also: „homophob“). Dass diese Logik im Hintergrund steht, wird offensichtlich von den ängstlichen Facebook-Usern zumindest für möglich gehalten, wenn man denn der Umfrage einer Zeitung namens Dailymash trauen will, die hinter diesem Artikel steht.

Nullsummenlogik ist die Basis eines im Kern totalitären Feindbilddenkens. Es gibt nur „drin“ oder „draußen“. Und „draußen“ muss bekämpft werden (und sei es durch verbale Diskreditierung). Um „drin“ und „draußen“ unterscheiden zu können, setzen totalitäre Regime auf Erkennungszeichen. Der Verdacht scheint nicht völlig abwegig, dass gewisse Kreise sich diesen uralten Mechanismus zu eigen machen und dadurch Druck ausüben. Ob Regenbogen oder „Ich bin Charlie“ – wer nicht dabei ist (also: „drin“), der ist wohl „homophob“ oder „Terror-Versteher“.

Wenn Menschen um ein offizielles Ende der Regenbogen-Aktion durch Dekret „von oben“ bitten, dann sehnen sie sich danach, dass jemand das Ventil öffnet, weil sie ja offenbar doch die Gefahr zu wittern scheinen, dass das Nullsummenspiel gegen sie durchschlagen und sozial desintegrierend wirken könnte. Ich denke, man muss nicht mal homophober Terror-Versteher sein, um das in allerhöchstem Maße erschreckend zu finden.

(Josef Bordat)

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