Du sollst nicht morden. Oder?

15. Januar 2017


Wenn ein Mensch ermordet wird, gilt mein Mitgefühl den Angehörigen. Ich bete für den Ermordeten und seine Familie, denke an seine Freunde. Ich wünsche ihnen Kraft und Beistand – von oben und von Menschen in ihrem Umfeld. Dann kommen der Täter und das Motiv in den Blick. Erst dann.

So möchte ich es auch in dem Fall der ermordeten 31jährigen Paderbornerin halten, die in Freiburg von einem 25jährigen Mann erstochen wurde. Ich grüße auf diesem Wege insbesondere die Eltern der jungen Frau und hoffe und bete, dass sie in diesen schweren Zeiten Trost finden. Möge auch ein gerechtes Urteil über den Täter dazu beitragen, den Schmerz zu linden.

Täter und Opfer lebten in einer Wohngemeinschaft zusammen. Das Opfer war Christin, der mutmaßliche Täter bezeichnet sich als „Anti-Theist“. Das Motiv der Tat war offenbar Hass auf Religion. Möglicherweise hatte sich vor der Tat eine Meinungsverschiedenheit über die Frage der rechtlichen Würdigung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ergeben. Genaueres wird wohl der Prozess ergeben, der Ende Januar abgeschlossen sein soll.

Interessant ist nun, wie dieser Fall, dessen abschließende Beurteilung allein der Justiz obliegt, in deutschsprachigen Medien rezipiert wird. Zum einen: Fast gar nicht. Es ist, was die Qualitätsmedien angeht, ein Lokalereignis. Der SWR berichtete, ebenso Zeitungen aus der Region. Ansonsten bleibt der Fall den Sozialen Medien und Blogs überlassen. Dort treibt er dann ganz eigene Blüten, nicht immer die schönsten. Wie zum Beispiel hier auf einer Seite namens queer.de.

Dort wird dem Täter Verständnis und regelrecht Wohlwollen entgegengebracht, das Opfer gilt zumindest als mitschuldig. Tenor: Eigentlich hat es nur bekommen, was es verdient. Die Kommentatoren geben dem Täter nachträglich Tipps im Umgang mit Christen („hätte man die frau auch auf die strasse setzen können“), hält ihn für „unschuldig wegen putativer notwehr“, macht die Politik mitverantwortlich , da sich diese immer noch ziert, die Homo-Ehe einzuführen (und rechtfertigt damit die Tat als Fanal im politischen Kampf), möchte die Sache am liebsten totschweigen („eigentlich keine Meldung wert“) und wenn überhaupt, denn nur unter umgekehrten Vorzeichen verhandelt wissen („vielleicht ist der mörder eigentlich ein opfer von homophobe und religiöse gesellschaft?“), entwickelt Mitgefühl – für den Täter („Ich persönlich kann mich in dieser situation nur in die person des täters einfühlen, die wut nachvollziehen die das ignorant religiote hervorruft“). Für das Opfer gibt es hingegen kein Mitgefühl, obwohl man weiß: „Natürlich gibt es auch das gebot des emphatischen mitgefühls für das opfer“. Aber an so ein Gebot muss man sich ja nicht halten.

Insgesamt ergibt sich auf queer.de folgendes Bild: Die Tat wird zwar nicht bejubelt (so viel Jurakenntnisse hat man dann doch), aber Gewalt gegen „Religioten“ wird auch nicht grundsätzlich abgelehnt. Schließlich geht es da um „Notwehr“. Beruhigend allerdings, dass man dabei dann doch eine gewisse Tötungshemmung entwickelt hat: „Schockierend allemal, auch wenn man die Methoden von Religioten kennt, und es schwer ist, deren Dellusion immer stirnrunzelnd hinzunehmen, ausrasten und Mord, weil jemand anderer Überzeugung ist? Nee, da müsste schon ganz viel passieren“.

Also: Damit ein Anti-Theist zum Mörder wird, muss „schon ganz viel passieren“. So richtig ausschließen will man das aber nicht. Auf queer.de. Bei den ganzen Religioten da draußen.

(Josef Bordat)

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