Katholischer Karneval

3. März 2014


Der Karneval ist katholisch, doch das Verhältnis zwischen Kirche und Karneval ist angespannt. Dies drückt der Narr selbst aus, wenn er von sich sagt, er sei zwar streng katholisch, habe aber mit der Kirche nichts am Hut. Der Karneval gibt uns damit auf seine Art die Frage zur Beantwortung auf, ob die Kirche tatsächlich die Botschaft Jesu in der Welt und für die Welt, die ganze Welt, nicht nur verwaltet, sondern auch erfahrbar macht, das ist ja ihre Aufgabe, die Aufgabe der Kirche, oder ob vielleicht wahr ist, was so mancher Narr vermutet, dass nämlich Gott längst aus der Kirche ausgetreten ist.

Viele Witze, in denen der Papst, der Vatikan und andere Würdenträger vorkommen, und zwar eher wenig vorteilhaft, thematisieren die innerkirchliche Spannung von göttlich-überzeitlichem Auftrag mit den Gegebenheiten dieser Welt. Das „in der Welt sein“, aber nicht „von der Welt sein“ wird als problematisch entlarvt, indem es immer wieder in Richtung eines Übergewichts allzu weltlicher Erscheinungen innerhalb der Kirche aufgelöst wird und damit Themen wie Geld oder Macht offen und vor dem Hintergrund des kirchlichen Selbstverständnisses eben auch sehr kritisch verhandelt werden.

Mit der scharfen Kontrastierung von Anspruch und Wirklichkeit innerhalb der Kirche bewegt sich der Karneval zwischen Affirmation (insoweit er das ideale Maß ernst nimmt) und Kritik (insoweit er das menschliche Scheitern anprangert). Auch dort, wo z. B. das Liedgut eher affirmativ ist, läuft es den gängigen theologischen Vorstellungen zuwider. Andererseits antizipiert der Narr vielleicht auch nur mögliche Veränderungen in der kirchlichen Morallehre.

Ein Beispiel. In einem Lied der Gruppe De Höhner heißt es: „Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin / so’n kleiner Teufel steckt doch in jedem drin / Der liebe Gott weiß, dass ich kein Engel bin / das mit dem Himmel, das kriegen wir schon hin!“ Es geht um die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes, der den sündigen Menschen kennt und akzeptiert. In einem anderen, sehr bekannten Lieder von De Höhner heißt es: „Da simmer dabei! Dat is prima! Viva Colonia! / Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust / Wir glauben an den lieben Gott / und hab’n noch immer Durst.“

Dann wird es aber in den Texten auch konkreter, der Teufel steckt im Detail: In dem Engelslied wird zu „wilder Ehe“ aufgerufen und das Konzept der Treue süffisant auf den Kopf gestellt („Ich leb für die Liebe und bin allen Frauen treu / und dass man dafür in die Hölle kommt, das wär mir neu“). In Viva Colonia heißt es: „Mer han dä Kölsche Klüngel un Arsch huh – su heiß’ et he! / Alaaf op Ruusemondaach un Aloah CSD / Mer sin multikulinarisch – mer sin multikulturell / Mer sin in jeder Hinsicht aktuell – auch sexuell!“ Hier wird also – entgegen der katholischen Position – dem Zeitgeist gehuldigt und der Stolz darauf zum Ausdruck gebracht, „modern“ zu sein, oder wie es hier heißt: „aktuell“. Man sollte Karnevalsschlager nicht überinterpretieren, aber dass Aktualität kein Maßstab für die Kirche sein kann und sich auch der „liebe Gott“ gerade nicht durch Anpassung an das Gegebene auszeichnet, sondern durch die un-bedingte Liebe, sollte klar sein.

Es ist der anthropomorphisierte „liebe Gott“, der „liebliche Gott“, der den Karneval prägt, dessen Liebe zum Menschen keine Wünsche offen lässt, auch keine sexuellen, der, wie es in Liedern einer anderen Kölner Kultband, der Bläck Fööss, heißt, der Stadt Köln immer wieder zur Hilfe eilt, um den Kölnern Wasser zu geben oder Zeit zu schenken: „Leever Jott, jevv uns Zick, für uns läuf e Johr vill zo flöck / ding himmliche Uhr, die läuf stur immer wigger. / Jrad noch Silvester jefiert, ze Ostern e Ei bunt lackiert, / et Föttche verbrannt em Sand, schon steit et Christkind vür d‘r Dür.“ Die Bläck Fööss trauen sich aber auch heiter an die Eschatologie heran. In ihrem Lied Ein Leben nach dem Tod heißt es: „Ob du Christ bist oder Moslem / schwarz bist oder rot / es gibt ein Leben, / ein Leben nach dem Tod.“

Karnevalsschlager und Büttenreden weisen vielfach einen religiösen Bezug auf, spielen mit theologischen Konzepten, deuten sie um, gehen allerdings nicht so weit, sie vollständig zurückzuweisen. Wenn De Höhner oder Bläck Fööss von Gott sprechen, vorzugsweise vom „leeve Jott“, dann geht es nicht um blasphemische Verspottung, sondern um durchaus affirmative Bezugnahme. Man zeigt sich katholisch, weil man katholisch ist. Nur mit der Kirche, da hapert es.

Doch schließlich gibt es auch Beispiele dafür, dass der Karneval durchaus auch in der Lage und willens ist, Kirchliches fast originalgetreu zu übernehmen: Brings mit Halleluja.

Ich han gehoot, et jitt e Leed
Dat jeder kennt un jeder singk
Och wenn do met Musik nix am Hot häs
Egal ob do am fleeje bes
Oder jenoch häs, vun all dem Driss
Nimm dir e Hätz un sing Halleluja
Halleluja, Halleluja, Halleluja

Do häs jedach et Lääve hät ne Sinn
Alles weed jod, alles haut hin
Un häs do dann di Liehrgeld berappe müsse
Ejal wie deef do jefalle bes,
Wie ramponiert do widder küss
Nimm dir e Hätz un sing Halleluja
Halleluja, Halleluja, Halleluja

Egal wie secher do dir bes
Wenn ene schwatze Engel ding Siel dir bütz
Nimm dir e Hätz un sing Halleluja
Do häs ne leeve Minsch nevven dir
Alles god im Jetz un Hier
Dä Himmel blau, su wigg ding Auge luure
Halleluja, Halleluja, Halleluja

In diesem Sinne: Helau und Alaaf! Und: Halleluja!

(Josef Bordat)