Kaiser und Gott

22. Oktober 2017


Damals kamen die Pharisäer zusammen und beschlossen, Jesus mit einer Frage eine Falle zu stellen. Sie veranlassten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person. Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! (Mt 22, 15-21)

Eine religiöse Haltung wirkt sich positiv auf die Ehrlichkeit bei der Steuer aus. Das fand die Kölner Forschungsstelle für empirische Sozialökonomik heraus. Im Durchschnitt fällt die Steuermoral eines Landes umso höher aus, je religiöser die Bürger sind, so lassen sich die Ergebnisse der Studie aus dem Jahre 2010 zusammenfassen. Religion hebt also die Steuermoral der Bürger. Gut so. Doch warum tut sie das, die Religion? Weil religiöse Menschen ohnehin obrigkeitshörige Marionetten sind? Dagegen spricht ein anderer Befund der Kölner Studie, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung damals folgendermaßen auf den Punkt brachte: „Wenn es aber im Staat nicht fair zugeht, dann hat auch der Frömmste keine Lust mehr, dem Fiskus Geld zu geben.“

Die Steuermoral der Religiösen ist also gebunden an die Steuerverwendungsmoral des Staates, an den sie ihre Steuern zahlen. Die Beziehung des Einzelnen zur Gemeinschaft muss in beide Richtungen stimmen. Sie wird im Christentum nicht zu einer Seite hin aufgelöst. Das christliche Gewissen gestaltet sich daher als Kompromiss zwischen subjektiver Neigung und objektiver Norm, deren Befolgung orientiert sein soll an der Liebe. Christliche Ethik ist die ernsthafte Suche nach einem Ausgleich, der weder das Gewissen in der Norm erstickt, noch dem teuflischen Gebot „Tu, was du willst!“ Rechnung trägt. Zumindest ein Gebot muss stets hinzutreten: die Liebe. In diesem Sinne sagt Augustinus: „Liebe – und tue was du willst!“

„So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört“, empfiehlt Christus den Pharisäern (Mt 22, 21); Paulus empfiehlt der Gemeinde in Rom, sich der Staatsführung gegenüber loyal zu verhalten (Röm 13). Das gilt auch heute. Ein Christ sollte ein guter Staatsbürger sein. Doch Loyalität hat ihre Grenze, und zwar dort, wo menschliche Gesetze den göttlichen Geboten widersprechen. Ein untrügliches Zeichen dafür ist der Umstand, dass sich der Staat selbst an die Stelle Gottes setzt. Im Grundsatz gilt: Die Obrigkeit ist von Gott und daher zu respektieren, doch wenn sie sich gegen Gottes Gebote erhebt und die Wurzeln zum Naturrecht kappt, ist Widerstand geboten.

Die Grenze wird von Jesus Christus deutlich markiert: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22, 21) Wir sollten das wie folgt lesen: Gebt dem Kaiser nur, was des Kaisers ist: Steuern, Gebühren und Abgaben, aktive und passive Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen, konstruktive Mitwirkung in der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten vor Ort. Das schon, aber nicht mehr. Denn was darüber hinausgeht, gebührt allein Gott: Verehrungswille, Erlösungshoffnung, Heilserwartung.

Gott ist das höchste Gut, nicht die Partei. Ein Leben mit Gott verschafft Glückseligkeit, kein noch so sinnvolles politisches Programm kann das leisten. Ein Christ weiß das. Gott steht für den Christen über dem Staat. Daher kann Petrus schreiben: „Du sollst Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5, 29). Die Liebe gilt zuerst Gott, dann den Menschen. Dieser Mensch und seine von Gott geschenkte Würde sind der Macht des Staates entzogen. Der Kirchenvaters Hilarius von Poitiers sagte im 4. Jahrhundert mit Blick auf die Frage der Pharisäer an Jesus: „Diejenige Goldmünze gehört dem Kaiser, die sein Bild trägt. Die Münze aber, die Gott gehört, ist der Mensch, in den das Bild Gottes eingezeichnet ist“. Das hat in den letzten 1700 Jahren nichts an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil: Es war selten nötiger als heute, daran zu erinnern.

(Josef Bordat)