An den Sieg glauben. Fußball und Religion

11. Juni 2010


Es gibt keinen Fußballgott, sondern nur einen Gott. Und der gibt uns Kraft für Siege und auch Kraft, Enttäuschungen wegzustecken.

Oliver Kahn

Heute beginnt in Südafrika die 19. Fußballweltmeisterschaft. Grund genug, einmal dem Zusammenhang von Fußball und Religion nachzugehen.

Ganz allgemein liegt die religiöse Bedeutung des Sports in dessen anthropologischer Funktion als besonderes Element der Kultur menschlicher Körperlichkeit. Sport ist Körperkultur und damit Kultur und damit – im weitesten Sinne – religiöser Akt, soweit damit die Absicht verbunden ist, im menschlichen Handeln über den Menschen hinauszuweisen. Das verbindet Formen der Kultur im engeren Sinne (Musik, Kunst, Sport) mit der Religion. Sport hat eine besondere Nähe zur Religion, weil es dabei darum geht, das Wesen menschlicher Körperlichkeit zu erfahren und dessen intrinsische Hemmnisse als Herausforderungen zu begreifen und schließlich zu überwinden: schneller, höher, weiter. Im Sport werden Grenzen überschritten, eigene Grenzen und menschliche Grenzen schlechthin. Das ist der erste Schritt in Richtung Selbsttranszendierung und Glückseligkeit als klassische Anliegen der Religion.

Im Fußballsport finden sich zudem in Ritus und Gestus zahlreiche Anspielungen auf religiösen Kult. Vereine spreizen sich zu quasireligiösen Gemeinschaften auf, erfassen die Totalität der Lebensvollzüge (es gibt Menschen, die schlafen in Schalke-Bettwäsche), verknüpft mit der Hoffnung auf Heil („Und wir hooo-len den Pooo-kal, hal-le-luuu-ja“), die sich wiederum an das Aufscheinen besonderer Gnade bindet (Flankengott), deren Manifestation sich manchmal bereits qua nomine aufdrängt (Messi[as]). Man könnte die Spiele mit Metaphern und Allegorien schier endlos fortsetzen.

Es gibt aber auch die andere Blickrichtung: gläubige Fußballer. Sie zeigen offen ihre Zugehörigkeit zu Jesus Christus – im Kreuzzeichen, im Gebet und manchmal auch auf T-Shirts. Es bleibt abzuwarten, ob das auch in Südafrika der Fall sein wird – die FIFA hat religiöse Bekenntnisse im Stadion untersagt. Die Griechen ließen sich denn auch schon vor dem großen Anpfiff segnen. Orthodoxe Geistliche besuchten sie im Trainingslager. Mit Nigeria und Argentinien in der Vorrunden-Gruppe braucht es wohl wirklich Gottes Beistand.

Als gläubiger Christ gilt auch der wohl beste Spieler aller Zeiten: Edson Arantes do Nascimento, kurz – Pelé. Den Weltbürgerstatus, den die UNO dem Brasilianer am 27. September 1977 verlieh, erwarb sich Pelé in erster Linie nicht nur für seine sportlichen Erfolge (er wurde mit Brasilien dreimal Weltmeister), sondern vor allem aufgrund seiner Vorbildfunktion und für sein bemerkenswertes soziales Engagement. Auch die jetzige Generation lässt sich nicht lumpen – fast jeder brasilianische Nationalspieler hat in der Heimat sein Hilfsprojekt. Was bei ihnen zählt, ist eben nicht nur auf dem Platz.

Und es gibt gläubige Trainer. Wie die Mai/Juni 2010-Ausgabe der Missio-Zeitschrift „Kontinente“ zu berichten weiß, setzt Ägyptens Nationalcoach Hassan Shehata nur fromme Muslime ein. „Ohne gottesfürchtiges Verhalten werde ich nie einen Spieler aufstellen, unabhängig von seinem Potenzial“, wird Shehata zitiert. Immerhin wurde er mit dieser „Taktik“ Afrikameister.

Weltmeister werden allerdings nur Christen. Es ist noch nie ein Land Weltmeister geworden, in dessen Bevölkerung die Christen nicht in der Mehrheit sind: Brasilien (90 Prozent Christen), Argentinien (96 Prozent), Uruguay (76 Prozent), Italien (87 Prozent), England (74 Prozent), Deutschland (67 Prozent) und Frankreich (55 Prozent). Und noch etwas: Der Katholikenanteil an der Bevölkerung beträgt im globalen Durchschnitt etwa 17 Prozent. Die großen Fußballnationen Brasilien (73 Prozent), Argentinien (90 Prozent), Uruguay (74 Prozent), Italien (85 Prozent) und Deutschland (34 Prozent), die zusammen 16 der 18 WM-Titel gewannen, haben mindestens einen doppelt so hohen Anteil an römisch-katholischen Gläubigen.

Mein WM-Favorit? Spanien. Gründe: 1. Der Katholikenanteil beträgt 92 Prozent (offiziell zumindest; in Umfragen bekennen sich nur etwa 80 Prozent der Spanier zur Kirche). 2. Es ist Jakobusjahr. 3. Sie haben das – mit Abstand – beste Mittelfeld.

Und „wir“? Also: „unsere Jungs“? Deutschland ist eine „Turniermannschaft“. Man sollte Deutschland „nicht unterschätzen“. Deutschland hat „immer wieder“ bewiesen, dass es „auf den Punkt topfit“ ist und eine gute Leistung „abrufen“ kann. Ansonsten halte ich es mit Horst Hrubesch: „Wenn wir alle schlagen, können wir es schaffen.“

(Josef Bordat)

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