Genauer Überblick

5. Oktober 2017


In einer Zeit der Informationsüberflutung wird es immer wichtiger, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Komplexitätsreduktion muss gründlich einstudiert und täglich proaktiv angewandt werden. Dass man bei dieser „Strategie der Lücke“ nicht vom Vereinfachen ins Banalisieren fällt, ist eine der ganz großen Herausforderungen der Gegenwart.

Vereinfachen, ohne zu banalisieren, einen Zugang zum Wesentlichen verschaffen, ohne interessante und bedeutende Details aus dem Auge zu verlieren – das gelingt dem Metzler-Verlag mit zwei großformatigen Büchern, die uns eine „Illustrierte Geschichte“ der Weltreligionen und der Weltliteratur nahebringen wollen.

Für die „Illustrierte Geschichte der Weltreligionen“ zeichnen Monika und Udo Tworuschka verantwortlich, die in diesem Jahr schon – in gleichem Format und gleicher Aufmachung – eine „Illustrierte Geschichte des Islam“ vorgelegt haben, die hier besprochen wurde. Nun also das noch größere Unterfangen: alle Weltreligionen sollen es sein – zumindest die fünf ganz Bedeutenden: Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus.

In abgeschlossenen Darstellungen referieren die Autoren über Geschichte und Lehre, Personen und Ideen der Religionen, über die drei abrahamitischen etwas ausführlicher als über die fernöstlichen. Zusammenhänge mit soziokulturellen Fragen in Entstehung und Etablierung der Glaubensgemeinschaften werden ebenso aufgezeigt wie Aspekte, die für die historische Entwicklung der Regionen, in denen die Religionen jeweils tonangebend waren, bedeutsam waren.

Die Weltreligionen, soweit sie eine Heilige Schrift als Grundlage haben, prägten nicht zuletzt auch die Weltliteratur. Für den westlichen Kulturkreis bemerkt Beatrix Gehlhoff als Autorin von „Illustrierte Geschichte der Weltliteratur“, die Bibel mit ihrer „großen Vielfalt an Formen und Gattungen“ habe „wie kein anderes Buch über die Jahrhunderte Schriftsteller verschiedenster Epochen beeinflusst, geprägt und inspiriert“. Entsprechend wirke sich der „Bedeutungsverlust der Religion in vielen Teilen Europas“ auch negativ auf „das Verständnis für einen Großteil der Literatur, Kunst und Musik unseres Kulturkreises“ aus.

Gehlhoff stellt in ihrem chronologisch orientierten Durchgang durch die Literaturgeschichte aber auch die Ursprünge der Literatur in anderen Kulturen vor, ehe sie zu dem kommt, was literarische Texte im engeren Sinne sind: antike Poesie, mittelalterliche Heldenepen, Romane, Dramen, Kurzgeschichten. Der Band gibt einen Überblick über Textgattungen und stellt prominente Beispiele aus allen Epochen und Regionen vor.

Hervorzuheben ist die gute gelungene Gestaltung der beiden Bände. Sie sind übersichtlich gegliedert, informieren in grau unterlegten Feldern kompakt über wesentliche Fakten und Begriffe und sind durchgehend farbig bebildert. Eine Zeittafel ordnet die Religions- bzw. Literaturgeschichte in die allgemeine Geschichte ein und verhilft so zu noch rascherer Orientierung. Thematisch geordnete Literaturhinweise laden zur Vertiefung ein.

Wer sich vornimmt, 5000 Jahre Religionsgeschichte und 4000 Jahre Weltliteratur auf jeweils etwa 170 Seiten zu bannen, der steht vor einem gewaltigen Problem: Mut zur Lücke. Das „Wagnis“ (Gehlhoff) einzugehen, hat sich gelohnt. Beide „Illustrierte Geschichte“-Bände bieten gelungene Kurzdarstellungen zweier großer Kulturphänomene, die helfen, den Überblick zu behalten. Sie nehmen dem Leser nicht die Verantwortung ihrer vertiefenden Erforschung, sondern geben ihm dazu vielmehr erst die Möglichkeit, indem sie die wesentlichen Stichworte liefern.

Bibliographische Angaben:

Monika und Udo Tworuschka: Illustrierte Geschichte der Weltreligionen.
Stuttgart: J.B. Metzler 2017.
176 Seiten, € 24,99.
ISBN 9783476044778.

Beatrix Gehlhoff: Illustrierte Geschichte der Weltliteratur.
Stuttgart: J.B. Metzler 2017.
176 Seiten, € 24,99.
ISBN 9783476044754.

(Josef Bordat)