Weil alles eine Grenze hat

2. November 2011


Offener Brief an die Facebook-Beschwerdestelle

Editorische Vorbemerkung: Ich werde hier keine Veröffentlichung des anstößigen Materials bzw. Verweise auf dieses Material vornehmen, sondern es bei der Beschreibung der Sachverhalte belassen. Selbstverständlich sind die Belege in Form von links in der E-Mail an Facebook enthalten. An Facebook geht außerdem eine gekürzte Fassung dieses Schreibens in englischer Sprache sowie nähere Angaben zu meiner Person, die ich hier ebenfalls weglasse.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den letzten Tagen habe ich Sie bzw. „Facebook“ auf einige Seiten aufmerksam gemacht, die mir als sehr fragwürdig erscheinen, Seiten, auf denen nicht nur Religion im Allgemeinen, der christliche Glaube (insbesondere katholischer Prägung), die Kirche, der Vatikan und / oder der Papst in unerträglicher Weise geschmäht und verächtlich gemacht sowie in Wort und Bild derart angegriffen werden, dass ein Besuch dieser Seiten meine religiösen Gefühle zutiefst verletzt, sondern auf denen weiterhin Menschen christlichen Bekenntnisses in entwürdigender Art dargestellt und Gewalt gegen Christen gebilligt, wenn nicht gar gefordert wird.

Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, man sollte auch der Dummheit und Bosheit ihren Lauf lassen, damit alle erkennen können, wie dumm und böse dieser Lauf ist, aber zugleich bin in der Meinung, dass es wichtig ist, die strafrechtliche Grenze zu markieren. Es geht mir also nicht darum, die Meinungsfreiheit beschränkt zu sehen oder Zensur üben zu wollen, sondern Straftaten zu verhindern. Ich bitte Sie, die vorliegende Beschwerde in diesem Zusammenhang zu sehen.

Konkret geht es mir um die Seite „On a scale of one to Jesus how brainwashed are you“ (etwa: „Auf einer Skala von 1 bis Jesus – Wie hirngewaschen bist Du?“), auf der nicht nur in geradezu unbeschreiblicher Ignoranz Falschdarstellungen christlicher Glaubensinhalte angeboten werden (dass nicht weiter zwischen unterschiedlichen Konfessionen und Denominationen differenziert wird, braucht wohl nicht erwähnt zu werden), sondern auch zahlreiche wohl satirisch gemeinte Texte und Bilder eine Haltung gegenüber dem Christentum und den Christen zeigen, die von großer Abneigung, im Grunde: vollständiger Empathieverweigerung, geprägt ist.

Doch es geht mir – wie gesagt – nicht um das Erzwingen von Wohlwollen oder um eine Rüge des ruppigen Umgangstons, wobei die Zahl und Schärfe der beleidigenden Attributive für „Christen“, die selbst regelmäßig unverblümt nach einem Kurzwort für die weiblichen Geschlechtsorgane bezeichnet werden, durchaus geeignet sein dürfte, eine Mentalität zu generieren, die weitere „Maßnahmen“ gegen Christen zu erleichtern imstande ist. Doch der Weg von der fraglichen Seite ins geltende Strafrecht (ich lege hier die Maßstäbe des deutschen Rechts an) ist viel kürzer: Ein Kommentar zu einem Bild sowie ein Bild nebst Untertitelung, welche sich auf der besagten Seite befinden, sind unmittelbar geeignet, mehrere Straftatbestände zu erfüllen, zumindest nach deutschem Recht, u.a. den der Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), der Volksverhetzung (§ 130 StGB) und der Bedrohung (§ 241 StGB).

1. In einem Kommentar zu einem Bild, das einen fressenden Löwen zeigt, wird auf der Seite behauptet: „The world started going down hill the very second they stopped feeding the Christians to the lions.“ („Mit der Welt ging es genau in dem Moment bergab als man aufhörte, Christen an die Löwen zu verfüttern.“). Man kann das strafrechtliche Potenzial dieses Kommentars leicht anhand einer Analogie aufweisen. Setzte man statt „Christen“ „Juden“ ein und statt „Löwen“ „Gaskammern“ und statt „verfüttern“ „verfrachten“ entstünde eine Aussage, die dem, der sie in der Öffentlichkeit macht, zumindest eine Geldstrafe eintragen würde, zumindest nach deutschem Recht. Doch auch darüber hinaus dürfte unschwer erkennbar sein, dass mit diesem Kommentar – zumindest unterschwellig – das Existenzrecht von Christen insoweit in Abrede gestellt wird, als man gesellschaftliche Fortschritte offenbar an deren „Beseitigung“ knüpft. Die Aussage ist doch wohl so zu verstehen: „Wir könnten diese Welt besser machen, indem wir Christen töten!“ Gerade in einer Zeit, in der die Christenverfolgung das größte humanitäre Problem unserer Welt darstellt (betroffen sind etwa 200 Millionen Menschen, etwa 100.000 Menschen sterben Jahr für Jahr aufgrund der Tatsache, dass sie Christen sind) ist dies eine Position, die selbst mit größtem Wohlwollen und eingedenk positivster Unterstellungen gegenüber dem Urheber (etwa dahingehend, sie oder er habe es nicht so gemeint) nicht hingenommen werden kann. Ich bin mir jedenfalls nicht ganz sicher, ob diese Äußerung nicht doch so gemeint sein könnte, allen Ernstes Gewalt gegen Christen zu billigen oder gar zu fordern – im Dienste des „Fortschritts“.

2. Diese Unsicherheit verstärkt sich im Kontext der besagten Seite, die ferner ein Bild präsentiert, auf dem eine Mülltonne mit der Aufschrift „Christian Disposal“ („Christliche Abfallbeseitigung“) zu sehen ist, aus der zwei menschliche Körper ragen, so dass davon auszugehen ist, dass es sich hier genau genommen um „Christen-Abfallbeseitigung“ handelt. Darunter steht: „Should put it right outside the exit of the church“ („Man sollte es gleich draußen am Ausgang der Kirche aufstellen“).

Die Darstellung zeigt nicht nur Menschen in entwürdigender Weise (nämlich als „Abfall“, der „entsorgt“ gehört) und knüpft damit an längst überwunden geglaubte ikonographische Demütigungen an (man mache wieder die Probe und stelle sich kurz vor, es stünde dort statt „Christian“ „Jewish“ und als Standort der Tonne schlüge man „gleich am Ausgang der Synagoge“ vor), es verhöhnt nicht nur die Opfer vieler Anschläge auf Kirchen in den letzten Monaten und Jahren, sondern droht wiederum mit Gewalt, weil und soweit mit der Darstellung ausgesagt werden soll, man möge Menschen christlichen Glaubens als „Abfall“ behandeln. Oder sollte das „Entsorgen“ von Menschen, wie es hier affirmativ und appellativ dargestellt wird, hinnehmbar sein, weil und soweit es um Christen geht?

Ein Wort zum Schluss: Ich fühle mich persönlich durch die Seite „On a scale of one to Jesus how brainwashed are you“ bedroht, schließlich gehöre ich als Christ zu jener Menschengruppe, gegenüber der nach Ansicht der Betreiber der fraglichen Seite Gewalt geboten ist, damit es nicht noch weiter „bergab“ geht und die man wie „Abfall“ behandeln darf und soll. Vielleicht können Sie daher verstehen, dass ich es wenig erbaulich fände, müsste ich zur Kenntnis nehmen, dass sich „Facebook“ hierzu indifferent verhält.

Ich wende mich direkt an Sie, ohne zuvor mit den Betreibern der Seite Rücksprache gehalten zu haben. Erstens fällt es mir doch ziemlich schwer, mit Menschen in einen Dialog zu treten, die mir – so scheint es ja – a priori die Menschenwürde und das Lebensrecht absprechen. Zweitens würden kritische Äußerungen meinerseits ohnehin per se als „Angriff“ gewertet und damit nicht toleriert, da sie ja von einem Christen (und damit „brainwashed religious fanatic“ – „hirngewaschenen religiösen Fanatiker“) stammen, der qua Definition ausschließlich zu „hate speech“ („hasserfüllter Rede“) fähig ist (während die Seite selbst in eigener Anschauung der Ausweis von Bildung, Weisheit und Toleranz ist). Ich hoffe, dass es „Facebook“ möglich ist, sich von diesem Gebaren zu distanzieren und die nötigen Schritte einzuleiten, um künftige Grenzüberschreitungen der geschilderten Art, die zwar repräsentativ sind für besagte Seite, jedoch leider keine Einzelfälle darstellen, zu verhindern und damit klar und deutlich die Absicht zu demonstrieren, es nicht weiter zu dulden, dass im „Facebook“ das Recht von Christen auf Würde und Leben zur Disposition gestellt wird. Sie würden mir damit die Sorge nehmen, mich und meine Angehörigen und Freunde – soweit sie ebenfalls Christen sind – mit dem Einloggen ins „Facebook“ in Gefahr zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Bordat

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