Befreiung

27. März 2013


Im Domradio kommentiert Ludwig Ring-Eifel Papst Franziskus‘ Affinität zur Befreiungstheologie, indem er feststellt: „Nun ist die poetische Prosa der Befreiungstheologen mit mehr als 30 Jahren Verzögerung durch den Haupteingang in Rom eingezogen.“ Zuvor sei dies undenkbar gewesen. Leonardo Boff, so erinnert Ring-Eifel, sei von Joseph Ratzinger „zuerst geförderten und später gemaßregelt“ worden. Er sagt leider nicht, warum. Eine strategische Maßnahme des klerikalen Konservatismus‘ aufgrund eines Sinneswandels mit machtpolitischem Hintergrund bei Ratzinger? Oder eine Verengung des Befreiungsgedankens auf irdische Strukturfragen bei Boff, die aus der Theologie der Befreiung eine Ideologie der Befreiung machte – praktisch vom Marxismus nicht mehr zu unterscheiden? Ist die Skepsis gegenüber der Politischen Theologie politischer oder theologischer Natur?

Dass zentrale Begriffe der Befreiungstheologie in den Fokus gelangen, ist begrüßenswert, denn sie von ihr aufgebrachte „Option für die Armen“ ist richtig und wichtig. Allerdings kann man die Option für die Armen in der Praxis auch anders realisieren als es die führenden Theoretiker der Befreiungstheologie vordenken. Konkrete Hilfe ist auch ohne theoretischen Überbau möglich. In der Theorie wiederum kommt es auf die Ausdeutung der Begriffe an: Wovon und wozu ist der Mensch befreit? Das „frei“ in Befreiungstheologie ist anders konnotiert als in Freiheit des Unternehmertums. Die Theologie der Befreiung muss sich – wie jede kirchliche Initiative mit dem Anspruch, die Gesellschaft zu verändern – an der Katholischen Soziallehre und deren Prinzipien messen lassen. Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo gibt es Unterschiede? Das ist zu klären. Es bleibt auch die Frage der Verortung des Befreiungsgedankens in der Theologie. Ist die soziale Gerechtigkeit Mittel oder Zweck des Gottesreichs? Wie wird Erlösung verstanden? Wie verhalten sich Gott und Welt? Dass Papst Franziskus hier sehr wohl die Balance hält, zeigt seine Sympathie für die Ideen der Befreiungstheologie einerseits und seine Warnung vor „Verweltlichung“ der Kirche andererseits. So kommt auch Ring-Eifel zu dem Schluss, dass Papst Franziskus die „leise, menschenfreundliche Spielart, die zuerst auf die innere Umkehr des Einzelnen setzt“, gewissermaßen den „sanfteren Flügel“ der Befreiungstheologie, nach Rom gebracht hat, um die Schnittmenge von franziskanischer Bewegung und Befreiungstheologie in den Fokus zu stellen: die Armut und die Armen.

Ich denke, es ist gut, dass die Kirche säkular ist, d. h., in der Zeit steht und die Probleme der Zeit zu ihren Problemen macht, die es im Geist des Evangeliums zu lösen gilt – jenseits von Aktionismus und Vertröstung. Es wäre aber nicht gut, wenn die Kirche säkularistisch werden würde und die Probleme der Zeit verabsolutieren und als nur in der Zeit lösbar aufnähme. Absolut ist nur einer: Gott. Der Bezug zur Hoffnung, die über unsere weltlichen Erfahrungen hinausgeht, darf nicht verloren gehen, denn dies ist die eigentliche Befreiung des Menschen. Wir feiern sie zu Ostern: Auferstehung.

(Josef Bordat)

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