Eskalation der verbalen Entmenschlichung

26. August 2015


Mir scheint, wir befinden uns derzeit regelrecht in einem Wettbewerb, wie man den Anderen, der im Verdacht steht, anders zu denken, am schonungslosesten schmäht. Diesem Anderen in erschreckender Maßlosigkeit die Daseinsberechtigung abzusprechen, scheint sich gerade zu einer Art Volkssport zu entwickeln. Das ist abstoßend und irritierend zugleich, weil es ja doch vorgeblich immer darum geht, damit etwas Gutes zu tun. Wer sich daran nicht beteiligen will, muss rechtzeitig aussteigen, bevor er selbst zum Opfer wird.

Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen aus anderen Kulturkreisen, Menschen, die anderen Religionen angehören (oder überhaupt einer Religion), Menschen, die anders denken, glauben oder leben als die Mehrheit, bedroht, verfolgt und in ihrer Würde verletzt werden. Ich möchte aber auch nicht in einem Land leben, das jedes Maß verliert, wenn es darum geht, sich derjenigen zu erwehren, die das – wider Moral und Recht – anders sehen. Verbrechen zu ahnden sollte – moralisch wie rechtlich – möglich sein, ohne dabei den Verbrechern das Menschsein abzusprechen und ihnen damit den Weg zurück in die Gesellschaft zu verbauen.

Es kann und soll Intoleranz gegenüber den Intoleranten geben, aber keine Missachtung der Würde derer, die die Würde von Menschen missachten. Klingt kompliziert, ist aber so.

(Josef Bordat)

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