Der Papst bleibt katholisch, der Bischof im Amt

23. Oktober 2013


Papst Franziskus lässt den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst im Amt. Er soll sich aber zunächst für zwei bis drei Monate zurückziehen, bevor er wieder in das diözesane Alltagsgeschäft einsteigt. Eine kluge Entscheidung, die allen Beteiligten – und wer wollte in den letzten Wochen nicht beteiligt gewesen sein – Zeit gibt, zur Besinnung zu kommen. Auch die Familie des Bischofs im niederrheinischen Twisteden kann nun hoffen, endlich in Ruhe gelassen zu werden, nachdem sie sich in der letzten Zeit einem massiven Aufgebot an Journalisten und wohl auch der einen oder anderen Morddrohung ausgesetzt sah – als unschönes, aber offenbar billigend in Kauf genommenes Ergebnis einer Kampagne ohne Beispiel, mit deren Vehemenz wohl sonst nur Kriegsverbrecher gejagt werden. Der Fall Tebartz-van Elst fördert in der Tat einige bedenkliche Mechanismen medialer Arbeit zu Tage, darunter die Eskalation und vor allem die thematische Weiterung.

Für die mediale Eskalation hat Tebartz-van Elst selbst die Vorlage geliefert, indem er die Baukosten nicht gleich in voller Höhe veröffentlichen ließ. So wurde die Phantasie angeregt, denn wenn nach 10 Millionen plötzlich 30 Millionen Euro genannt werden, sind es dann womöglich 50 Millionen? Wer weiß! Und wo – außer dem Verwaltungsbeirat – niemand etwas genaues weiß, lässt sich herrlich spekulieren. Doch neben der quantitativen gibt es auch eine qualitative Eskalation zu beobachten. Da eine finanziell überzogene Millionen-Investition in einer Zeit, in der die Milliarden nur so durch die Medien hüpfen (BER, ESM, GEZ), allzu leicht übersehen wird, muss Tebartz-van Elst möglichst als Person und möglichst spektakulär scheitern, indem die Schraube immer weiter angezogen wird. Man kann nicht einfach nur aus einem Badezimmer eine Badewanne machen, sie muss dann auch aus Bronze (Montag), Silber (Dienstag), Gold (Mittwoch), Platin (Donnerstag) bzw. Coltan (Freitag) sein, um am Wochenende einfach mal zu behaupten, der Kandidat sei psychisch krank. Das heißt: Es wird behauptet, er sei nicht psychisch krank. Das Dementi als wirkungsvolle Nachricht ist der vorläufige Höhepunkt der Eskalation: „Autismus: Bruder entlastet Tebartz-van Elst“. Kleines Experiment: Denken Sie jetzt mal bitte nicht an einen rosaroten Elefanten. So wird Stimmung gemacht.

Das reicht aber nicht. Man muss die derart erzeugte Stimmung auch nutzen. Das ist das, was Joachim Löw mit „Zielstrebigkeit vor dem Tor“ meint: Es nützt nichts, wenn Özil den Ball mit der Hacke in den Sechszehner schlenzt, es muss auch jemand da sein, der abstaubt. Und der Torerfolg der medialen Meinungsmache ist die Weiterung des Topos in die gewünschte Diskursrichtung. Der Fall Tebartz-van Elst bietet Gelegenheit zu zwei diskursiven Weiterungen: Erstens zur Frage der Kirchenfinanzierung allgemein, zweitens zur Vertiefung des Grabens zwischen der dekadenten deutschen Kirche und der armen Weltkirche, die jetzt wieder vom Papst vertreten wird, vielmehr von der Person Franziskus. Zugleich öffnet sich von daher indirekt der Raum für eine (neuerliche) Abrechnung mit Benedikt, der zwar ebenfalls das Thema Kirchenfinanzierung offensiv und beherzt anfasste (Entweltlichung) und außerdem (so als Papst halt) die Weltkirche vertrat und in erster Linie ihre Perspektive einnahm (gerade auch dort, wo die deutschen Medien eine deutsche Position erwarteten, etwa in der Ökumene, die sich bei Benedikt aber nicht allein auf bilaterale Gespräche zwischen Katholiken und Lutheranern bezieht), medial jedoch oft als deutscher Prunkprotzer verkauft wurde, weil er rote Schuhe trug. Franziskus kann nun wunderbar als pontifikaler Gegenentwurf präsentiert werden, weil er schwarze Schuhe trägt. Tebartz-van Elst setzt in diesem Kontext gleichsam Benedikts Antagonistenrolle fort. Sein Besuch beim Protagonisten Franziskus wird daher folgerichtig als Showdown zwischen Gut (Franziskus) und Böse (Tebartz-van Elst in Vertretung von Benedikt) vermarktet.

Erwartet wurde als Ergebnis dieses Showdowns die finale Abrechnung mit Tebartz-van Elst, auf die die Abrechnung mit Benedikt, mit der reichen Kirche in Deutschland und mit allem, was dem kirchenkritischen Journalismus seit acht Jahren sonst noch sauer aufstößt, ohne weiteres würde folgen können. Doch dazu kam es nicht. Denn Papst Franziskus ist katholisch. Und zum Katholizismus gehören gleichermaßen Vernunft, Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft. Zum Katholizismus zählt ganz wesentlich die Einsicht, dass es das wichtigste moralische Prinzip ist, den gestrauchelten Menschen nicht zu Boden zu treten, sondern ihm zu helfen, sich auf- und neu auf Gott hin auszurichten. Franz-Peter Tebartz-van Elst ist so ein Mensch. Franziskus hat dies erkannt und mit seiner Entscheidung die richtige Konsequenz gezogen – eine katholische Konsequenz. Die Frage, ob das außerhalb der Kirche jemand versteht oder nicht, darf dabei keine Rolle spielen.

(Josef Bordat)

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