Todesstrafe

16. September 2014


Heute vor 23 Jahren wurde in der Schweiz die Todesstrafe abgeschafft. Einige Gedanken dazu – aus Sicht des Lebensschutzes.

1942 wurde in der Schweiz die Todesstrafe für zivile Straftaten abgeschafft. Die letzte zivile Hinrichtung hatte es 1940 gegeben: Der dreifache Mörder Hans Vollenweider wurde in Sarnen (Kanton Obwalden) durch die Guillotine hingerichtet. Am 16. September 1991 schließlich wurde in der Schweiz die Todesstrafe auch im Militärstrafrecht abgeschafft.

Immer noch ist die Todesstrafe in der Mehrheit der Staaten nicht vollständig abgeschafft, obgleich sie nur in 58 Staaten im gewöhnlichen Strafrecht Anwendung findet und nur in etwa 20 Staaten regelmäßig vollstreckt wird, insbesondere in China, im Iran, im Irak, in Saudi-Arabien und in den USA. Zumeist wird sie bei (mehrfachem) Mord verhängt, zum Teil aber auch für weit weniger schwerwiegende Straftaten wie Bankraub (Saudi-Arabien), Drogenhandel (Indonesien, Saudi-Arabien, Malaysia, Singapur, Thailand, Taiwan) oder Korruption (China).

Ferner wird sie in Teilen der Welt für die Herstellung und den Verkauf von Alkohol (Indien), für Ehebruch (Saudi-Arabien, Iran, Afghanistan), für die Abkehr vom islamischen Glauben (Afghanistan, Iran, Jemen, Mauretanien, Pakistan, Katar, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan), für praktizierte männliche Homosexualität (Iran, Saudi-Arabien, Jemen, Sudan, Mauretanien, Nigeria) oder für Hexerei (Saudi-Arabien) angewandt.

Ich bin gegen die Todesstrafe, selbst in Fällen von gröbster und größter menschlicher Verfehlung. Der Hauptgrund, gegen die Todesstrafe zu sein, ist für mich die Unveräußerlichkeit der Menschenwürde und des elementaren Lebensrechts, eine Unveräußerlichkeit, die aus der Geschöpflichkeit des Menschen resultiert. Gott schenkt uns Leben, über das wir Menschen nicht verfügen dürfen. Wir können uns dieses Geschenk nur in formaler Weise als „Lebensrecht“ zu, niemals aber in Gestalt eines „Tötungsrechts“ absprechen. Ein anderes Element der Begründung betrifft die Irreversibilität des Urteils: Einmal vollstreckt, kann es nicht mehr wirksam zurückgenommen werden, wenn sich herausstellt, dass es irrtümlich gefällt wurde. Bei einer Haftstrafe gibt es immerhin die Möglichkeit der Entlassung und der Entschädigung für die Zeit des unrechtmäßigen Freiheitsentzugs.

Auch das Argument der größeren Abschreckung scheint nicht wirklich stichhaltig, wenn man Kriminalitätsstatistiken vergleicht. Mir scheint, es geht bei der Todesstrafe am Ende um einen Aspekt des Strafens, der in einem zivilisatorisch entwickelten Strafrecht, gerade auch vor einem christlichen Hintergrund, keine Rolle mehr spielen sollte: Rache.

Dass der Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) die Todesstrafe nicht explizit ausschließt, bleibt für mich – soweit Selbstverteidigung und Nothilfe beim gefangenen Straftäter ja nicht als Gründe für eine Tötung in Frage kommen – einigermaßen unverständlich. In Nr. 2266 heißt es: „Der Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft erfordert, daß der Angreifer außerstande gesetzt wird zu schaden. Aus diesem Grund hat die überlieferte Lehre der Kirche die Rechtmäßigkeit des Rechtes und der Pflicht der gesetzmäßigen öffentlichen Gewalt anerkannt, der Schwere des Verbrechens angemessene Strafen zu verhängen, ohne in schwerwiegendsten Fällen die Todesstrafe auszuschließen. Aus analogen Gründen haben die Verantwortungsträger das Recht, diejenigen, die das Gemeinwesen, für das sie verantwortlich sind, angreifen, mit Waffengewalt abzuwehren.“

Die Analogie von innerer und äußerer Sicherheit kann mit Blick auf die Praxis nicht überzeugen, die Rechtsfiguren, die im bellum iustum-Topos noch herausragen, Selbstverteidigung und Nothilfe, verfangen im Verhältnis von Justiz und Straftäter einfach nicht. Das betont auch Papst Johannes Paul II. in der Enzyklika Evangelium Vitae (1995), wenn er sagt, es müssten, „um alle diese Ziele zu erreichen“, insbesondere der Schutz der Gesellschaft, „Ausmaß und Art der Strafe sorgfältig abgeschätzt und festgelegt werden“. Sie „dürfen, außer in schwerwiegendsten Fällen, das heißt wenn der Schutz der Gesellschaft nicht anders möglich sein sollte, nicht bis zum Äußersten, nämlich der Verhängung der Todesstrafe gegen den Schuldigen, gehen“ (Nr. 56).

Ich denke, dass „der Schutz der Gesellschaft“ immer auch „anders möglich sein sollte“ als durch Beseitigung des Verbrechers. Fälle, in denen das nicht möglich ist, sind auch nach Meinung Johannes Paul II. in Evangelium Vitae „heutzutage infolge der immer angepaßteren Organisation des Strafwesens schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben“ (Nr. 56). Und wenn ich dazu KKK, Nr. 2267 lese („Soweit unblutige Mittel hinreichen, um das Leben der Menschen gegen Angreifer zu verteidigen und die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Menschen zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten, denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls und sind der Menschenwürde angemessener.“), dann wird mir klar, dass es sich bei der Todesstrafe aus katholischer Sicht um eine rein theoretische Option handelt, die für Extremfälle vorgesehen ist, auf einer Ebene etwa mit dem Konzept des „Tyrannenmords“ im Grundgesetz, das damit ja auch dem Mord nichts von seinem Schrecken nimmt. Damit ist das Töten nicht moralisch rehabilitiert (man kann auch sinnvoll gegen die Tötung eines Tyrannen argumentieren, soweit dieser ja ein Mensch ist), sondern lediglich als ultima ratio ins Arsenal an rechtlich möglichen Umgangsformen aufgenommen.

Die Todesstrafe gehört weltweit abgeschafft. Ich denke, dass ein Staat über andere Vollzugsmöglichkeiten verfügt. Die USA als Vorreiter in vielen kulturellen Fragen sollten mit gutem Beispiel vorangehen und den Prozess der Abschaffung der Todesstrafe anstoßen. Und die christliche Lebensschutzbewegung sollte den Kampf gegen die Todesstrafe als ein wichtiges Handlungsfeld begreifen.

(Josef Bordat)

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