Humala verhindern

9. April 2011


Zu den Wahlen in Peru.

Am morgigen Sonntag, dem 10. April, wählen die Peruaner einen neuen Präsidenten – oder eine neue Präsidentin. Dabei ist zu hoffen, dass es gerade Keiko Fujimori, die Tochter des inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori, nicht schafft. Und Ollata Humala erst recht nicht.

I.

Eines steht fest: Alan Garcia wird als Präsident Perus abgelöst. Am nächsten Sonntag, dem 10. April, wählen die Peruaner einen neuen Präsidenten. Dass es wirklich ein neuer sein wird, liegt an der peruanischen Verfassung, die zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden – nach schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit – verbietet. Damit ist die Wiederwahl Garcias nicht möglich. In diesen Zeiten wäre das nicht die schlechteste Option.

Der amtierende Präsidenten Garcia von der einzigen landesweit gut organisierten Partei, der sozialdemokratischen APRA, hinterlässt ein Land, das gute Fortschritte gemacht hat. García hatte Peru zuvor schon einmal regiert, von 1985 bis 1990. Von dieser ersten Amtszeit ist nur sein Populismus in Erinnerung geblieben, der ihn damals – trotz Hyperinflation und Terror des „Leuchtenden Pfads“ – an der Macht hielt. In seiner zweiten Amtszeit (2006-2011) bewegte García sich deutlich auf die Wirtschaft zu, die das honorierte: sie wuchs zwischen 2006 und 2008 um jährlich durchschnittlich 9 Prozent. Auch in den Jahren 2009 und 2010 verzeichnete das BIP einen leichten Zuwachs (1 bzw. 5 Prozent). Die Weltwirtschaftskrise und die damit verbundene sinkende Nachfrage nach Rohstoffen (Hauptexportgut Perus ist Kupfer) hat das Land gut weggesteckt. Vor allem die Baubranche und der Einzelhandel erleben seit Jahren einen Boom. Der Internationale Währungsfond hat unterdessen mitgeteilt, dass Peru seine Auslandsschulden komplett abzahlen könnte, während das Ranking-Unternehmen „Standard und Poor’s“ die Volkswirtschaft der Andenrepublik als eine der solidesten in Lateinamerika bezeichnete. Die Zahl der von Armut Betroffenen konnte die Garcia-Administration deutlich vermindern. Das alles ist ein gutes Startkapital für die Nachfolgerin oder den Nachfolger im Präsidentenamt.

Dennoch kommt der neue Wohlstand nicht überall gleichmäßig an. Es gibt Regionen, in denen es heute nicht besser aussieht als vor fünf Jahren, besonders in den ländlichen Gebieten auf den Anden. Hier neigen die Menschen zu radikalen Kandidaten. Zu Humala. Doch der Reihe nach.

II.

Eine/n neue/n Präsidentin/en sucht das Land. Wer wird es werden? Von den 13 Präsidentschaftskandidaten sind mittlerweile noch 11 übrig (Mercedes Aráoz, die Kandidatin der APRA, und Cambio 90-Kandidat Carlos Zuñiga haben sich aus dem Rennen zurückgezogen), von denen fünf echte Siegchancen haben, vier Männer und eine Frau: Alejandro Toledo, der bereits vor Garcia Peru regierte (2001-2006), Luis Castañeda (der ehemalige Bürgermeister von Lima), Pedro Pablo Kuczynski, der unter Toledo Wirtschafts- und Premierminister Perus war und dann noch zwei ganz besonders schillernde Figuren, die wir uns genauer anschauen müssen: Keiko Fujimori und Ollanta Humala.

Keiko Fujimori ist die Tochter des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, der das Land von 1990 bis 2000 autoritativ regierte und der mittlerweile im Gefängnis sitzt; wegen des Einsatzes von Todesschwadronen wurde er 2009 zu 25 Jahren, wegen Korruption zu 7 Jahren Haft verurteilt. Die erste Amtshandlung einer Präsidentin Keiko wird eine Amnestie für den Herrn Papa sein, der längst zum Wahlkampfthema geworden ist. Der lange Schatten der Vergangenheit ist für einige Fans der Familie Fujimori wie ein Scheinwerfer, der die Kandidatin ins Licht der guten, alten Zeit rückt. Unverständlich, aber wahr. Es gibt zwar keine Sippenschuld, aber wer in den Wahlkampf mit dem Programm eintritt, rechtskräftig verurteilte Familienmitglieder aus dem Gefängnis zu holen, darf sich nicht beschweren, wenn sie oder er mit dieser Familie identifiziert wird, zumal, wenn Keikos offenkundige Verachtung der demokratischen Gewaltenteilung, die bei der Verurteilung Fujimoris noch so gut funktioniert hat, den Vergleich mit dem Herrn Papa, der von Demokratie auch nicht all zu viel hielt.

III.

Auch beim zweiten Kandidaten, den es zu verhindern gilt, ist die Familie wichtig, ein Clan, der Ollanta Humala zur Macht verhelfen will. Humala trat bereits 2006 mit seiner „Partido Nacionalista Peruano“ an, eine Partei, deren Ausrichtung man „nationalsozialistisch“ nennen könnte, wäre der Begriff nicht durch historische Vorbelastung so eindeutig belegt. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass diese Bezeichnung so vermessen allerdings auch wieder nicht ist; 2006 konnte sich Humala immerhin der Solidarität seitens der NPD sicher sein. Damals gewann er die erste Runde souverän mit 31 Prozent, konnte sich aber in der Stichwahl nicht gegen Alan Garcia behaupten. Er sei in den letzten fünf Jahren gereift und habe dazugelernt. Sagen die Seinen. Ich wage das zu bezweifeln. Allenfalls scheinen auf einem Kontinent, auf dem auch Menschen wie Evo Morales (Bolivien) und Hugo Chávez (Venezuela) regieren, ethno-nationalistische Sozialisten keine Besonderheit mehr zu sein. Das heißt: Humala wurde in den letzten Jahren salonfähig. Was für ein Salon!

Ollanta Humala. Was ist das für ein Mensch? Was sind seine politischen Ziele? Welche Rolle spielt bei all dem seine Familie und das Unterstützer-Umfeld? Und: Wie gefährlich ist der Emporkömmling, der erst seit 2005 politisch aktiv ist, für Peru, für Amerika, für die Welt? Im Blick auf die letzten Jahre möchte ich zeigen, warum es besser wäre, wenn Humala die Wahlen nicht gewönne, weil, wie Esteban Cuya vom Nürnberger Menschenrechtszentrum meint, „Humala als Präsident eine instabile und chaotische Regierung bedeuten würde.“

„Das Volk will offenbar eine Diktatur, und Ollanta gibt ihm, was es verlangt.“ Das sagte Ulises Humala, einer der sechs Brüder des Präsidentschaftskandidaten, kurz vor den Wahlen vor fünf Jahren. Diese Diktatur als „nationalsozialistisch“ zu bezeichnen, birgt – ich schrieb es bereits – das nicht unerhebliche Risiko eines falschen Zungenschlags, vor allem mit Blick auf die NS-Diktatur in Deutschland. Ich möchte diese nicht verharmlosen, aber auch Humalas Pläne nicht schönfärben. Ich bin mir ebenfalls bewusst, mit diesem Vergleich, der Humala und seine Anhänger als neofaschistisch-nationalsozialistisch brandmarkt, den Rahmen der üblichen lateinamerikanistischen Betrachtung der Humala-Bewegung als „anti-systemisch“ und „ethno-caceristisch“ (nach dem Kriegshelden Andrés Avelino Cáceres, der im von Peru verlorenen Salpeterkrieg in den Jahren 1879-1883 hartnäckigen Widerstand gegen die chilenischen Soldaten leistete) zu verlassen. Aber angesichts der realen Gefahr, die von Humala und seinem Programm ausgeht, möchte ich Humala nicht als „Linkspopulisten“ (Inga Rahmsdorf im „Tagesspiegel“ vom 9. April 2006) verharmlosen. Wohl wissend, dass jeder Vergleich mit dem Nationalsozialismus und seinen beispiellosen Verbrechen hinkt, möchte ich mich auf das Glatteis begeben und einen Vergleich zwischen Humala und Hitler wagen. Denn die Parallelen zwischen Humala und Hitler sind einfach zu frappierend. Angefangen von der Herkunft und der Verwurzelung im Militär über die klar ersichtliche Bemühung einer Identifikation der Partei mit der Person, indem die Partei als Bewegung mit der Person als Führer gekennzeichnet und organisiert wird, bis hin zu Revanchismus und Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus sowie den (national-)sozialistisch-protektionistischen Plänen für die Wirtschaft.

1. Vorgeschichte: Militärische Wurzeln und missglückte Putschversuche.

Humala und Hitler hatten vor ihrer politischen Karriere lediglich eine Laufbahn beim Militär vorzuweisen. Während es Hitler im Ersten Weltkrieg zum Gefreiten schaffte und danach als Kunstmaler wenig Erfolg hatte, so brachte es Humala zum Oberstleutnant und Kommandanten der Militärbasis „Madre Mía“ im Amazoas-Departamento San Martín. Als solcher wurde Humala in der Vergangenheit des öfteren mit Vorwürfen konfrontiert, er sei in jener Zeit der gefürchtete „Capitán Carlos“ gewesen. „Capitán Carlos“ war in den 1990er Jahren auf eben jener Militärbasis stationiert. Unter seinem Kommando wurden dort Menschenrechte auf das Schlimmste verletzt, es kam zu Folterungen, Vergewaltigungen und Mord. Es gibt Zeugen, die behaupten, der umstrittene Präsidentschaftskandidat Humala sei eben jener „Capitán Carlos“. Dieser bestreitet, etwas mit den Menschenrechtsverletzungen zu tun gehabt zu haben. Dass die Gräueltaten verübt wurden, stellte er hingegen nicht in Frage. So kann zumindest davon ausgegangen werden, dass Humala von ihnen Kenntnis hatte, schließlich befand er sich zum Zeitpunkt der Vorfälle ebenfalls auf der Basis – in leitender Position.

Hitler hatte in einem Krieg gekämpft, den er als gerecht ansah und der ihn geprägt hat. Ebenso Humala. Sein Einsatz im Anti-Terror-Krieg der 1990er Jahre bedingt die enge Verzahnung von Nationalismus und Militarismus, von Befreiungsrhetorik und handfesten Drohungen gegen den Erzfeind Chile.

Zum Zeitpunkt ihrer (potentiellen) Machtergreifung waren beide politisch unerfahren und jung: Hitler war 43 Jahre alt, als er zum Reichskanzler ernannt wurde und Humala ist 47. Beide wurden entsprechend unterschätzt. Und das trotz der Tatsache, dass beide schon vor dem demokratischen Verfahrensgang versuchten, durch einen Staatsstreich an die Macht zu kommen. Hitler hatte 1923 mit seinem „Marsch auf Berlin“, mit dem er Mussolinis „Marsch auf Rom“ imitierte, wenig Erfolg, ebenso wenig wie Humala. Der versuchte gleich zweimal, sich an die Macht zu putschen: Im Oktober 2000 zusammen mit seinem Bruder Antauro bei einer Meuterei von etwa 50 Soldaten gegen den damaligen Präsidenten Alberto Fujimori, im Januar 2005 – ebenfalls mit Bruderherz Antauro – gegen Alejandro Toledo, den „unfähigen, korrupten und dem Ausland hörigen Präsidenten“ (Ollanta Humala). Motto in beiden Fällen: „Wenn eine Regierung sein Volk verrät, bin ich als Soldat verpflichtet, diese Regierung zu stürzen. Wenn man dies Staatsstreich nennt, dann liebe ich Staatsstreiche.“ Dieses Zitat stammt zwar von Antauro Humala, gibt aber die Position Ollanta Humalas zumindest im Ergebnis wieder. Ferner ist es aus dem Jahr 2003 und damit nicht unmittelbar in Bezug auf einen der beiden Putschversuche geäußert worden, doch die Deutlichkeit der Sprache lässt keinen Zweifel daran, dass die Humalas Gewaltanwendung befürworten, sobald eine Regierung in ihren Augen versagt.

2. Personifikation der politischen Programmatik und martialische Symbolik

Parallelen gibt es ferner bei der Namensgebung. Während die NSDAP jahrelang unter dem Namen „Hitler-Bewegung“ firmierte, wird die Nationalistische Partei Perus martialisch „Humala-Bewegung“ genannt. Sprachrohr der Humala-Bewegung ist die seit Februar 2002 zweimal monatlich erscheinende Zeitung „Ollanta“ (Auflage ca. 60.000 Stück). Schon der Titel (Vorname Humalas) macht die Personifikationsbemühung deutlich. Jedem soll klar sein: Hier hat nur einer das Sagen. Bei Hitler war es das Buch „Mein Kampf“, das als programmatische Publikation die Vorstellungen des künftigen Reichskanzlers offenbarte. Auch hier ist der Bezug zur Person offensichtlich: mein, nicht etwa unser Kampf. Zur Ego-Tripp passt das Logo der Partei Humalas, der „Partido Nacionalista Peruano“: ein „O“. O – wie Ollanta.

Richtig auffällig ist die Anlehnung der Humala-Bewegung an die Hitlers hinsichtlich der Symbolik, wie folgendes Foto in einem Artikel des Peru-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, das bei dem Aufstand Anfang Januar 2005 aufgenommen wurde.

Auf dem Bild steht Antauro Humala neben einer Standarte. Die ausgebreiteten Flügel des Kondor und die graphische Gestaltung der Standarte erinnern deutlich an den Reichsadler und die Hakenkreuzfahne. Auch die Standarte als Ganze erinnert an Nazi-Aufmärsche und Großkundgebungen während der Hitler-Diktatur. Mit dieser Symbolik kokettiert die Humala-Bewegung bewusst mit Tabus. Sie versucht erst gar nicht, einen Hehl aus ihrer nationalistischen Gesinnung zu machen.

Das Banner spricht Bände: Das Rot als Signalfarbe steht für das Blut, das man zu vergießen bereit ist und der goldene Kondor für die goldene Zukunft nach der Revolution. Die schwarzen Umrisse im mittig angelegten weißen Kreis zeigen ein inkaisches Symbol, das die Dreiheit der Inka-Welt symbolisiert (dreistufige Treppe). Die Inka-Mythologie geht – analog zu europäischen Vorstellungen und vielen Religionen – von drei Sphären aus: Unterwelt, irdische Welt der Menschen und himmlische Götterwelt. Der Kondor als Wappentier verbindet dabei die Erde mit dem Himmel. Wenn er sich majestätisch in die Lüfte erhebt, dann – so sagen die Indios – bringt er den Göttern Botschaften.

Die Humala-Bewegung schreckt also auch nicht davor zurück, religiöse Symbole für ihre Zwecke zu pervertieren, wie schon die Hitler-Bewegung das „Hakenkreuz“, das eigentlich ein hinduistisches Sonnensymbol ist (Swastika, dt. „es ist gut“ [sic!]), missbrauchte und für alle Zeiten diskreditierte. Diese zielgerichtete Umdeutung religiös-kultureller Zeichen ist sicherlich eine besonders perfide Parallele zwischen Humala und Hitler.

3. Politik: Programmatische Parallelen

Militarismus, Revanchismus und die Rede vom „Erzfeind“. Ein Nachbar und ein Großreich sind jeweils die erklärten Feinde Perus bzw. Deutschlands. Für Hitler waren es Frankreich und das „bolschewistische“ Russland, für Humala sind es Chile und die USA, die es zum Wohl des eigenen Volkes zu bekämpfen gilt. Gegen „Erzfeind“ Frankreich und „Erzfeind“ Chile hatten resp. haben Deutschland bzw. Peru eine Tradition kriegerischer Auseinandersetzungen aufzuweisen, die mit völkischen Abgrenzungsproblemen und handfesten wirtschaftlichen Konflikten erklärt werden können.

Rassismus, Paternalismus und Antijudaismus. Die Überlegenheit der eigenen Rasse stand bzw. steht für beide fest. Hitlers Arier-Wahnsinn findet in Humalas Auffassung, die indianische Ethnie sei den Mestizen und Spaniern überlegen und in Peru entsprechend zu bevorzugen, eine erschreckende Fortsetzung. Humalas Vater Isaac vertritt die Auffassung, dass in Lateinamerika nur noch Cobrizos (Indios mit kupferfarbener Haut) leben sollten. Das behauptet Jan-Uwe Ronneburger in dem Artikel „Das peruanische Volk will eine Diktatur. Autoritärer und nationalistischer Ex-General Humala greift im Andenstaat nach der Macht“, der am 25. März 2006 im Wiesbadener Kurier erschien. Der Soziologe Julio Cotler zeichnet unterdessen ein Schreckensbild, wie Ronneburger zu berichten weiß: „Unter Humala wird eine Million Peruaner ins Ausland fliehen, und eine weitere Million wird ähnlich brutal verfolgt werden, wie dies in Kuba oder Venezuela üblich ist.“

Der erklärte Wille zur Gründung eines neuen peruanischen Staates, der auf einer Wiederbelebung der kulturellen Errungenschaften des Inkareichs beruhen soll, findet hier ihre rassistische Motivation. Die Rückbesinnung auf die eigene (inkaische) Geschichte ist dabei sicherlich grundsätzliches ein löbliches Vorhaben, aber muss dies verbunden werden mit der Forderung nach der Neuerrichtung des Tahuantinsuyo, des alten Inkareichs? Sicherlich nicht, zumal sich dieses über das Gebiet der heutigen Staaten Ecuador, Peru und Bolivien sowie über Teile Chiles und Argentiniens erstreckt und eine historische Reminiszenz hier folglich als Drohung verstanden werden muss.

Innenpolitisch wäre in diesem Inka-System neben der Verstaatlichung von Industrie, Versorgern und Landwirtschaft wohl mit diktatorischen Verhältnissen zu rechnen, denn schließlich war das Inkareich ein totalitärer Führerstaat, der sogar schon „Blockwarte“ kannte. Eine Schwächung des Parlaments und eine Verschärfung der Strafjustiz (Wiedereinführung der Todesstrafe) wären wohl nur zwei der Konsequenzen aus der von Humala bereits angekündigten neuen Verfassung, die er im Falle eines Wahlsieges von einer eigens ins Leben zu rufenden Versammlung verabschieden lassen möchte.

Auch ein paternalistischer Tugendterror zeichnet sich ab. Zur Sicherung der Humala-Moral könnte der Staat ermächtigt werden, auch die Privatsphäre zu regeln. Humalas Mutter Elena Tasso hatte in diesem Zusammenhang schon angeregt, ein Zeichen gegen die verlotterte Moral ihrer Landsleute zu setzen, und zur Abschreckung einige Homosexuelle öffentlich erschießen zu lassen. Auch Hitlers völkisches Staatsverständnis umfasste bekanntermaßen den Anspruch, bis in die Familienplanung hinein zu regieren („Mutterkreuz“), während Homosexuelle zu Tausenden im KZ landeten.

Hitlers Antisemitismus bzw. -judaismus, aus dem er nie einen Hehl machte und der schließlich im Holocaust seine grausame Umsetzung erfuhr, findet bei Humala nur ab und an eine Entsprechung, wenn er die Gattin des Ex-Präsidenten und jetzigen Kandidaten Toledo als „Jüdin“ bezeichnet (warum auch immer – sie ist eine belgische Protestantin), wenn er seinen Pressesprecher, einen Araber aus Palästina, gegen Israel hetzen lässt (mittlerweile hat dieser in Israel Einreiseverbot, weil er offenbar Kontakt zu militanten Palästinensern pflegt) oder wenn bei seiner Kapitalismuskritik die (durchaus kritisierbaren) Deregulierungs- und Privatisierungsprojekte sehr oft mit dem Attribut „jüdisch“ versehen bzw. mit „den Juden“ in Verbindung gebracht werden. Die wirre Theorie einer Verschwörung des „internationalen Finanzjudentums“ (Hitler) ist auch bei Humala spürbar – wenn auch nicht ganz so stark ausgeprägt.

Sozialismus, Verstaatlichung und Protektionismus. Sowieso scheint der Staat die wirtschaftlichen Probleme lösen zu können – und zwar am besten allein bzw. im Verein mit sonst ebenso abgeschotteten Nationalökonomien. Humala denkt dabei insbesondere an Bolivien und Venezuela, während er chilenische Investoren verjagen will. Gerade die Frühphase der Hitler-Bewegung lebte im Zeichen der Weltwirtschaftskrise vom sozialistischen Duktus des Parteiprogramms. Auch Humala wendet sich gegen Spekulanten und „Heuschrecken“, die auf Kosten des Volkes Kasse machen.

Die antikapitalistische Wirtschaftspolitik mit ihrer egalitaristisch-etatistischen Grundausrichtung, mit der Hitler und Humala beim verarmten Volk punkten wollten bzw. wollen, ist dabei streng nationalökonomisch ausgerichtet, ein Unding in Zeiten der Globalisierung. Diese durch nationale Abschottung zu ignorieren, ist von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Wenn – wogegen im Grundsatz nichts zu sagen ist – die Peruaner wirklich wieder „Herr im eigenen Haus“ werden wollen, wie Humala pathetisch verspricht, dann sind sie auch auf Zusammenarbeit mit dem verhassten „Westen“ angewiesen; ein Viertel der Exporte geht in die USA.

Ganz so dumm, die national-sozialistische Karte offen zu spielen, ist selbst Humala nicht. Im Wahlkampf ist nicht von Enteignungen die Rede. Er scheint einen Kalkfelsen verschlungen zu haben, wenn er davon spricht, Privateigentum und private Investitionen zu respektieren. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch das passt nicht zu Humala. Und: Er kann als Präsident nicht die Quadratur des Kreises schaffen, Indio-Bauern und Investoren gleichermaßen zufrieden zu stellen. Ihm muss es – wie jedem anderen künftigen Präsidenten auch – gelingen, die Investoren dazu zu bringen, den Indio-Bauern Perspektiven zu verschaffen. Das geht aber nur, wenn diese friedlich und jene im Land bleiben. Eine Präsidentschaft Humalas ist dafür die ungünstigste politische Umgebung.

Zusammenfassung. Die Humala-Bewegung zeichnet sich durch einen nationalistischen, totalitären, rassistischen und antijudaistischen Diskurs aus und geht damit über den für die „neue Linke“ Lateinamerikas typischen, USA-feindlichen Neo-Sozialismus bzw. Anti-Neoliberalismus weit hinaus. Auch wenn vieles davon Wahlkampfgetöse ist und die Rhetorik in der Realität an Grenzen der Umsetzbarkeit stößt, wird sich Peru unter einem Präsidenten Humala dramatisch verändern. So könnte am Ende der Humala-Clan in der Tat dafür sorgen, dass es allen Peruanern, die bis dahin nicht geflohen sind, gleich geht. Gleich schlecht.

IV.

Schließlich darf bei der Vorberichterstattung zu anstehenden Wahlen eine Prognose nicht fehlen. Nun, denn. In jüngsten Umfragen liegt Ollanta Humala mit 27 Prozent der Stimmen vorn, gefolgt von Ex-Präsident Toledo. Vermutlich wird Humala also den ersten Wahlgang gewinnen, wie schon 2006. Doch für die Wahl zum Präsidenten wird die absolute Mehrheit benötigt (50 Prozent plus x). Zu hoffen ist, dass sich im zweiten Wahlgang, wo die beiden besten Kandidaten gegeneinander antreten, eine „Koalition der Vernunft“ gegen Humala bildet, falls dieser – wovon auszugehen ist – das Stechen erreicht. 2006 hat diese Koalition Garcia zum Sieg verholfen, allerdings nur knapp; er kam auf 53 Prozent. Das bedeutet, dass immerhin 47 Prozent der Peruaner für Humala war. In Peru gibt es Wahlpflicht mit einer de facto-Beteiligung von fast 100 Prozent. Von daher ist die Basis breit. 60 Prozent der Peruaner leben auf dem Land, das sind die potentiellen Humala-Wähler. Bei den Limeños und den Auslandsperuanern hat er hingegen keine Chance.

Zu hoffen bleibt, dass der neue Präsident Perus fachlich kompetent, politisch zuverlässig und persönlich integer ist, um die weitere Entwicklung des Landes, zu der auch die Bekämpfung der Korruption gehört, voranzutreiben. Wer wird es werden? Eines steht fest: Alan Garcia wird als Präsident Perus abgelöst. Alles andere ist offen.

(Josef Bordat)

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