Solidarität statt Selbsttötung

27. November 2012


Post für die Volksvertreter und eine Aktion vor dem Reichstag: Das Bündnis Solidarität statt Selbsttötung macht mobil gegen geplante Sterbehilfe-Regelung

§ 218 StGB kennt man für gewöhnlich, auch wenn man nicht zum Juristen ausgebildet wurde. Doch von § 217 StGB hat kaum jemand je gehört, der nicht gerade vom Fach ist. Kein Wunder: Seit dem 1. April 1998 gibt es keinen § 217 StGB mehr. Von 1872 bis 1998 wurde in der gestrichenen Norm die Rechtsfolge der Tötung eines nichtehelichen Kindes festgestellt, immer wieder in leicht veränderten Formulierungen.

Seit 14 Jahren macht das deutsche Recht nun keinen Unterschied mehr zwischen der Tötung eines nichtehelichen Kindes und der Tötung eines ehelichen Kindes. Gut so. Seit 14 Jahren ist die Stelle über dem „Abtreibungsparagraphen“ im Strafgesetzbuch vakant. Das treibt die Phantasie. Und das ist weniger gut. Denn: Ein neuer § 217 StGB soll jetzt her.

Auch dieser hat was mit der Tötung eines Menschen zu tun, befasst sich aber mit einem Thema, das erst seit einigen Jahren überhaupt öffentlich behandelt wird: der Sterbehilfe, also der Unterstützung oder Assistenz bei der Durchführung eines Suizids. Diese soll mit dem neuen § 217 StGB verboten werden, soweit sie gewerbsmäßig erfolgt (Absatz 1). Straffrei soll sie jedoch bleiben, wenn eine dem Suizidalen verwandte oder nahestehende Person ohne (unmittelbare) finanzielle Interessen beim Selbstmord assistiert (Absatz 2).

Das Bündnis Solidarität statt Selbsttötung sieht darin eine gefährliche Entwicklung, wie es gegenüber den Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die am Donnerstag über die Neufassung von § 217 StGB debattieren, in einer spektakulären Aktion verdeutlicht hat: Die Volksvertreter erhielten am Montag per Post eine bittere Arznei: §217 forte – Die Todespille in der praktischen Mogelpackung.

Das Bündnis – getragen vor allem von christlichen Lebensschützern – sieht in der vorgeschlagenen Regelung der Sterbehilfe einen ethischen Dammbruch, hin zu einer Gesellschaft, in der auf alte und unheilbar kranke Menschen bzw. ihre Angehörigen, die nach § 217 Abs. 2 StGB tätig werden können, Druck ausgeübt wird, dies auch zu tun, damit in Deutschland künftig sozialverträglich gestorben wird.

Alles Hysterie? Mit Sicherheit nicht! Das Beispiel der Niederlande zeigt, dass die Straffreiheit der Beihilfe zur Selbsttötung dazu führt, dass suizidalen Menschen in Anbetracht der „schnellen Lösung“ kaum noch wirklich geholfen wird, mit Geduld und Hinwendung. Statt dessen: Sterbehilfe auf Rezept. Als Alarmsignal darf auch gewertet werden, dass es von der „Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben“[sic!] schon Vorschläge für den Einsatz von Suizid-Beratungsstellen gibt, in denen man sich einen Schein abholen kann, der zur Inanspruchnahme von Sterbehilfe berechtigt. So unfassbar diese Tendenzen sind, wäre es schon interessant zu hören, mit welcher Begründung dieser Schein einer lebensmüden 19-jährigen mit Liebeskummer verweigert werden soll.

Bis Donnerstag Nachmittag ist noch Zeit, darauf hinzuwirken, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Weg in eine andere Zukunft einschlagen. Das Bündnis Solidarität statt Selbsttötung plant dazu am Donnerstag um 12 Uhr eine Performance-Aktion vor dem Reichstag – um denen eine Stimme zu geben, die es betrifft: Alte, Kranke, Leidende. Diese Menschen brauchen unsere Solidarität, unsere tätige Nächstenliebe. Und keine Todespillen! – Wer ebenfalls dieser Ansicht ist, möge sich am Donnerstag um 12 Uhr vor dem Parlament einfinden.

Das Bündnis Solidarität statt Selbsttötung ist im übrigen nicht grundsätzlich gegen eine gesetzliche Regelung in Sachen Suizid, es fordert jedoch einen besseren § 217 StGB. Und das bedeutet zunächst und vor allem, dass die neue Norm der Verfassung, also Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, stand hält: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Das wäre etwa der Fall, wenn statt Sterbehilfe, mit dem Ziel, den Leidenden zu töten, die Sterbebegleitung, mit dem Ziel, den Leidenden zu trösten, zum Paradigma des Umgangs mit alten und unheilbar kranken Menschen würde. Um dies zu gewährleisten, fordert das Bündnis mehr Zeit für die Abgeordneten: ein Jahr, das zum Nachdenken genutzt werden soll, unter Beteiligung aller Bürger. Denn dieses Thema geht nun wirklich jede und jeden an!

(Josef Bordat)

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