Stellungnahme zur Morddrohung

25. November 2015


Ich danke allen, die mir über die unterschiedlichsten Kanäle ihre Solidarität aussprechen! Es ist bereits jetzt absehbar, dass ich nicht dazu kommen werde, jeder und jedem Einzelnen zurückzuschreiben – jedenfalls nicht in der mir noch verbleibenden Zeit. Zugleich ergeben sich offenbar Fragen, die ich hier in allgemeiner Weise beantworten möchte.

Sie sind kürzlich schon bedroht worden. Nun die neuerliche Bedrohung. Gibt es dafür einen konkreten Anlass?
Wenn ich das wüsste! Den Nobelpreis für Psychologie gibt’s zwar nicht, aber ich glaube, den bekäme ich dann trotzdem. Ich weiß nicht, was genau diese Eskalation (denn es ist ja offenbar eine solche) ausgelöst hat, war es die Rezension eines Erzählbandes, mein Ständchen für Herrn Kempa oder der Hinweis auf die Papst-Reise nach Afrika? Ich weiß es nicht. Ich stehe vor einem Rätsel.

Was hat es mit dem Todesurteil auf sich?
Ja, das ist wirklich interessant. Offenbar wurde es längst gesprochen und soll nun vollstreckt werden. Also, aus der Sache komme ich damit ohnehin nicht mehr raus. Es sei denn, das Todesurteil wird zurückgenommen. Das wäre natürlich schön. Aber an wen wende ich mich da jetzt für den Wiederaufnahmeantrag? Amtsgericht Spandau?

Sie nehmen die Sache nicht Ernst?
Doch, sehr sogar. Dass ich meine Furcht mit Humor überspiele, ist eine Angewohnheit, die ich seit der achten Klasse habe. Mathearbeit.

Warum ignorieren Sie die Sache nicht einfach statt sie öffentlich zu machen?
Die Öffentlichkeit darf ruhig erfahren, was los ist. Wenn jemand wie ich, dessen Texte von ein paar Duzend Menschen gelesen werden, Morddrohungen erhält, möchte ich nicht wissen, wie es bei Autoren von Bedeutung aussieht. Hier liegt was schief. Grundsätzlich. Die Bedrohung eines Publizisten ist immer auch eine res publica, eine öffentliche Angelegenheit.

Und die Polizei – muss das denn sein?
Ja, ich denke schon, dass es richtig war, die Polizei zu informieren und auf dem Laufenden zu halten. Eine Bedrohung ist kein Streich, sondern eine Straftat, die mit bis zu einem Jahr Haft geahndet werden kann. Es gibt ein überragendes Interesse der Allgemeinheit, von Bedrohungen verschont zu bleiben und daher liegt es ebenso in ihrem Interesse, Bedroher zur Rechenschaft zu ziehen. Ich will mir außerdem nicht vorwerfen lassen, ich täte nicht alles, was in meiner Macht steht, um die Gefahr zu minimieren.

Aber erweisen Sie diesen Menschen damit nicht viel zu viel Ehre?
Glaube ich nicht. Im übrigen wäre es schön, wenn sich alle, die bisher noch keine Todesurteilsbenachrichtigungen oder Morddrohungen bekommen haben, mit Hinweisen und (sicherlich: gut gemeinten) Ratschlägen dahingehend, wie „man“ mit Todesurteilsbenachrichtigungen oder Morddrohungen umzugehen habe, etwas zurückhielten. Nur mal so.

Nur um das zu verstehen – wie wirken sich die Bedrohungen aus?
In meinem Fall: Ich beginne, die Wirklichkeit selektiv wahrzunehmen, nach Gefahrenquellen zu untersuchen. Alles wird zur Gefahr. Es klingelt. Ein Bettler? Kann sein. Paranoia liegt im Bereich des Möglichen. Jede/r, die/der einem nahe kommt, steht unter Verdacht. Man wird angerempelt. Sind das „die“? Oder sind das nur die ganz normalen Rücksichtslosen? Licht im Pfarrsaal? Ach, so – Seniorengymnastik. Entwarnung. Oder auch nicht. Das ist blöd.

Hören Sie jetzt auf zu schreiben?
Nein. Und das ist noch nicht einmal böser Wille. Der Grund ist einfach der: Ich kann nichts anderes. Das versuche ich ja auch, der Arbeitsagentur zu erklären. Ich wäre auch lieber im Commerzbank-Vorstand. Oder zumindest in der Kreditabteilung. Gerade jetzt, in der Heizperiode. Aber es ist nun mal so und es lässt sich auch nicht ändern: Solange ich lebe, werde ich schreiben. Das bedeutet, die Terroristen haben völlig Recht mit ihrem Umkehrschluss: Wer will, dass ich zu schreiben aufhöre, muss mich töten.

Was wünschen Sie sich?
Drei Dinge. Erstens: Dass irgendwann mal Schluss ist mit anonymen Bedrohungen, welcher Art und gegen wen auch immer. Zweitens: Dass die/der Täter/in gefasst und nach den Regeln des Rechtsstaats zur Rechenschaft gezogen wird/werden. Ich bin einfach neugierig, wer mich umbringen will. Und warum (s. oben). Drittens: Endlich wieder ganz normal arbeiten zu können. Das Leibniz-Jahr 2016 steht vor der Tür und ich habe in dem Zusammenhang – so ich denn überlebe – noch eine ganze Menge zu tun.

Was können Ihre Leser jetzt tun?
Weiter lesen. Und, wenn sie mögen und können: beten. Die Katholiken können heute auf die Fürsprache der Heiligen Katharina von Alexandrien um Gottes Segen bitten. Katharina ist ja u.a. Schutzpatronin der Philosophen. Passt.

(Josef Bordat)

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