Schadet christliche Erziehung dem Kindeswohl?

15. April 2016


Ich weiß nicht mehr, wann es war, aber es kann nicht allzu lange her sein, weil ich mich noch ziemlich gut daran erinnere. Ein Diskussionspartner meinte, es sei an der Zeit, nicht nur den Religionsunterricht abzuschaffen und konfessionelle Bildungseinrichtungen zu schließen, sondern religiöse Erziehung (vulgo: Indoktrination) insgesamt zu verbieten und Eltern, die dann mit dem G-Wort immer noch nicht hinterm Berg halten können, das Sorgerecht für ihre Kinder zu entziehen.

Ich fühlte mich – auch das erinnere ich noch gut – zum einen an Platons Idee einer gemeinschaftlichen Erziehung aller Kinder des Gemeinwesens erinnert, die seitdem in vielen Politischen Utopien eine zentrale Rolle spielt, zum anderen an den Anspruch moderner, real existierender Diktaturen hierzulande, die ebenfalls mit religiöser Indoktrination ihre Schwierigkeiten hatten und daher – zur Beförderung einer freien deutschen Jugend – die Erziehungsaufgabe an sich zogen.

Zugleich meinte ich damals, dass diese Vorstellung sich nicht umsetzen ließe und auch nicht umgesetzt werden sollte. Dabei spielten noch nicht einmal rechtliche Hemmnisse wie die nach wie vor nicht vollständig abgeschaffte Religionsfreiheit und das Naturrecht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder eine Rolle, sondern vielmehr Fragen der Umsetzung. Die Kinder von zwei Drittel der Deutschen mit Polizeigewalt aus ihren Familien zu entfernen, dem staatlichen Um- und Überhauptmalerziehungsprogramm zuzuführen und dort zu halten, verschlingt auf Dauer einfach zu große Mengen an Steuergeld.

Vielleicht merkt man’s ja: Ich habe den Vorschlag nicht wirklich ernst genommen – eingedenkt der historischen Erfahrungen, der geltenden Rechtslage und der praktischen Vernunft. Und auch aus fiskalpolitischen Erwägungen. Die Frage im Hintergrund bleibt damit freilich unbeantwortet: Schadet christliche Erziehung dem Kindeswohl? Gut, ich habe da meine Meinung (diese wäre: grundsätzlich eher nicht, im Gegenteil), aber ich bin niemand, der nicht offen wäre für Diskussionen. Auch, wenn sie – meiner Ansicht nach – eher abwegige Thesen zum Gegenstand haben.

Nun jedoch hat die Fragestellung offenbar die diskursive Ebene verlassen und erhält eine politische Antwort: Ja, das tut sie. Ja, christliche Erziehung schadet dem Kindeswohl. Ja, denn christliche Erziehung ist „religiöse Indoktrination“. Nicht die deutschen Behörden geben diese Antwort, sondern die norwegischen. Das zumindest geht aus den Informationen hervor, die ich im Zusammenhang mit einer Petition erhielt.

Demnach wurden Kinder aus mehreren Familien zu Pflegeeltern gegeben, weil das Kindeswohl bei den leiblichen Eltern nicht mehr gewährleistet gewesen sein soll – unter anderem bzw. insbesondere wegen „religiöser Indoktrination“. Besonders schwer wiegt der gegen die norwegischen Behörden erhobene Vorwurf, dass diese selbst dann, wenn sich die Verdachtsmomente nicht bestätigen oder gar konkrete Vorhaltungen widerlegt werden, keine Rückführung der Kinder in ihre Familie veranlassen. Das klingt nach Willkür.

Ich denke, dazu sollte man Stellung beziehen – zum Beispiel, indem man die Petition unterzeichnet. Im Grunde aber schon zu der Tatsache, dass christliche Erziehung derart kriminalisiert und entsprechend bestraft wird. Was kommt denn als nächstes? Begründen regelmäßige Tischgebete den Anfangsverdacht des Kindesmissbrauchs? Ist der Besitz von Bilderbibeln demnächst illegal? Läuft man Gefahr, seine Kinder nie wieder zu sehen, wenn man auf ihre Frage nach dem Sinn des Lebens die nach Staaträson falsche Antwort gibt?

Andere Frage: Wo leben wir eigentlich?

(Josef Bordat)

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