Feuer auf Erden. Und Spaltung

20. Oktober 2016


In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist. Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, nicht Frieden, sondern Spaltung. Denn von nun an wird es so sein: Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen: Drei werden gegen zwei stehen und zwei gegen drei, der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter. (Lukas 12, 49-53)

Unter den zahlreichen Konvertiten in Berlin, die sich aus ihrer islamischen Tradition heraus für die Nachfolge Christi entscheiden, wird es hinsichtlich des Tagesevangeliums kaum Verständnisschwierigkeiten geben. Umso mehr verbiegt der glaubensferne westliche Zeitgeist, der sich gar nicht vorstellen mag, dass Christen auch Opfer von religiös motivierter Gewalt werden können, den Sinn des Textes der heutigen Perikope.

Es kommt seltener, aber doch immer mal wieder vor, dass schon die Formulierung „Feuer auf die Erde werfen“ als Gewaltakt missverstanden wird, nicht als Inspiration der Welt mit dem Heiligen Geist. Genau das jedoch steckt dahinter: Feuer als Bild für den Geist, Brand als Metapher für Begeisterung. Das Feuer, das der Herr auf die Erde werfen will, ist also der Heilige Geist. Er soll uns entzünden und nach und nach alles in Brand stecken. Es sind die Flammen der Liebe, die Jesus herbeisehnt, keine Flächenbombardements oder Atombombenabwürfe.

Häufiger ist da schon das Missverständnis hinsichtlich der Formulierung „nicht Frieden, sondern Spaltung“, bei Matthäus gar „Schwert“: „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt 10, 34). Mit dem „Schwert“, so meint mancher nur an der Oberfläche kratzender Exeget, sei das scharfe Hieb-, Stich- und Schlagwerkzeug gemeint, mit dem man Menschen Gewalt antun kann und damit nach dem Willen Jesu dann wohl auch soll. Es geht hier jedoch nicht um Gewalt tun, sondern um Gewalttat erfahren – damit passt das schon mal nicht zusammen. Die Lösung liegt ganz woanders: „Schwert“ ist im übertragenen Sinn gemeint. Es wird von der Waffe zu einem Instrument des Urteilens, der Wahrheitsfindung, des Trennens von Gut und Böse, der Geisterunterscheidung. So schreibt Lukas entsprechend „Spaltung“, was etwas weniger missverständlich ist.

Jesus hat ein unmissverständliches Verhältnis zur Gewalt: Er lehnt sie ab. Als die Hüter des mosaischen Gesetzes eine Frau steinigen wollen, hält Er ihnen den Spiegel vor. Als die Apostel mal an einem Ort negative Erfahrungen machen und daraufhin den Zorn Gottes herabrufen wollen, weist Er sie zurecht. Als Petrus Ihn mit einem (echten) Schwert verteidigen will, ruft Er ihn zur Ordnung. Keine Gewalt! Das ist die Losung Jesu für das Christentum. Daran müssen wir festhalten, soweit uns das möglich ist.

(Josef Bordat)

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