Der besonders gewöhnliche Fall des Thomas Frings

21. Februar 2017


Ich wage eine Behauptung, für die es eine akzeptable Beweisführung kaum geben wird: Jeder katholische Christ in Deutschland kennt – entweder persönlich oder vom Hörensagen – einen Priester, der sein Amt aufgegeben hat. In den meisten Fällen hat sich derjenige schlicht und ergreifend verliebt, in eine Frau oder einen Mann. Diese Liebesbeziehung will der Betreffende nicht mehr geheimhalten (oder kann es nicht mehr). Ende. Seltener sind es echte Glaubenskrisen, die zu einer Amtsaufgabe führen. Auch hier: Ende – wenn auch mit einer ganz anderen Qualität.

Der Fall des Thomas Frings, ein Großneffe des weit über die Kirche hinaus bekannten Kölner Erzbischofs Joseph Kardinal Frings, unterscheidet sich von diesen genannten Fällen gleich in doppelter Hinsicht. Zum einen spricht er davon, dass er nicht mehr Pfarrer sein kann. Das ist ein anderer Ansatz als zu sagen, man wolle nicht mehr (darüber gäbe es kaum etwas zu schreiben) oder man dürfe nicht mehr, weil die Regeln der Kirche einen bestimmten Lebenswandel als nicht mit dem Priesteramt vereinbar betrachten (diese Klagelieder hört man in jeder Talkshow, meist verbunden mit der Forderung, den Zölibat abzuschaffen).

Anders Frings. Er zeigt nicht vorwurfsvoll mit dem Finger auf das CIC, sondern bilanziert sachlich, aber engagiert die entstandenen Gräben zwischen ihm und dem, was sich ihm im Arbeitsalltag bietet. Das wiederum ist nicht Resultat einer zu überwindenden theoretischen Lehrposition (Es bleibt dabei: „Die Kirche bietet den objektiven Rahmen für meinen subjektiven Glauben“), sondern verfehlter Umsetzungspraxis (Stichwörter: Strukturen, Pläne, Pastorale Räume).

Zum anderen steckt in dem „So“ der Verweis auf die Konditionalität der Entscheidung. Das Ende des Dienstes steht mit einem Fragezeichen versehen im Raum. Es gibt also ein Zurück: „Ich sage Aus und Amen, aber eben nicht Ende. Denn ich liebe diese Kirche“. Er bleibt Priester, auch wenn er nicht mehr Pfarrer ist. In den Dienst zurückzukehren, das ist jederzeit möglich für den Geistlichen, der zur Zeit in einem Kloster lebt. Wenn, ja, wenn sich die Bedingungen änderten. Frings gibt sich nicht einfach der Frustration und Enttäuschung über die als solche empfundenen Mängel und Hemmnisse hin, schmeißt nicht einfach die Flinte ins Korn, sondern nennt die Konditionen des Priesteramts, die es wohl jedem Geistlichen schwer machen, sein Amt so auszuüben, wie es der Berufung entspricht. Es ist also weniger eine persönliche Abrechnung als ein Ratgeber – für die Kirche. Denn diese allein kann die Bedingungen verändern.

Welche Aspekte nennt Frings? Zunächst und vor allem ist das die Enttäuschung über die problematische Einstellung vieler Katholiken gegenüber den Sakramenten, gerade gegenüber den Sakramenten, die man nur einmal gespendet bekommt bzw. sich gegenseitig vor Gott spendet. Taufen und Hochzeiten werden mit dem Anspruch gefeiert, die Kirche möge „serviceorientiert“ und „fehlerlos“ liefern und ansonsten eine nette Kulisse für die innerlich von den meisten Gästen nicht mehr mitvollzogene Feier bieten. Das, so Frings, „schmerzt“.

Nun will Thomas Frings aber keine Kirche für eine glaubensstarke, liturgisch geschulte Elite, sondern Angebote, die mehr oder minder kirchenferne Menschen individuell zurückführen an den Glauben. Nicht „ganz oder gar nicht“, nicht „alles oder nichts“, sondern eine „gestufte Nähe“ zur Kirche schwebt Frings vor. Das ist natürlich nicht ganz unproblematisch und wäre von der ohnehin um sich greifenden Patchwork-Religiosität dogmatisch und pastoral abzugrenzen. Wer das „Paket“ des Katholizismus aufschnürt, muss sich vorsehen, wie dann die Identität des christlichen Glaubens katholischer Prägung noch gewahrt werden kann. Andererseits hat Frings freilich Recht: „Wir sollten den Menschen Hilfestellung geben und sie nicht als sakramentale Nichtschwimmer vom Zehnmeterturm springen lassen und uns dann wundern, dass die meisten am Ende ertrunken sind.“

Das Buch ist persönlich, aber doch von allgemeiner Relevanz. Es ist höchst unterhaltsam geschrieben und bleibt doch konzentriert beim Thema. Die Kirche in Deutschland tut gut daran, den Autor ernst zu nehmen, d.h. die von ihm angeregte „Kurskorrektur“ zu bedenken. Zu hoffen ist, dass der Geistliche schon bald in den Dienst als Gemeindepfarrer zurückkehrt – zurückkehren kann. Die Kirche braucht Priester wie Thomas Frings.

Bibliographische Angaben:

Thomas Frings: Aus, Amen, Ende? So kann ich nicht mehr Pfarrer sein.
Freiburg i. Br.: Herder 2017.
176 Seiten, € 16,99.
ISBN 978-3-451-37797-6.

(Josef Bordat)

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