Strafbare Gedanken

3. Februar 2015


Einer meiner Lieblingsfilme ist Minority Report (2002). Es geht, neben dem obligatorischen Familiendrama, das in keinem Hollywood-Streifen fehlen darf, um Zukunftsmusik – technologisch, gesellschaftlich, rechtlich. Damit ist der Raum für die philosophische Frage des Wohin aufgespannt, die der Film anreißt, ohne mögliche Antworten bis ins Letzte auszubuchstabieren. Über eines scheint aber am Ende Klarheit zu herrschen: allein die Absicht, ein Verbrechen zu begehen, rechtfertigt keine Strafe, auch dann nicht, wenn die Kausalkette bis kurz vor der Handlung lückenlos nachvollziehbar ist. Dies war die Idee der Precrime-Division: Verbrechen zu verhindern, bevor sie begangen werden können. Dabei werden Menschen inhaftiert, die nichts Unrechtes taten – genau dies aber geplant hatten. Die Frage, wie man hinter die Gedanken, Absichten und Pläne von potentiellen Straftätern kommt, wird in dem Film anfänglich glaubhaft beantwortet: ein dreiköpfiges Medium besitzt durch übernatürliche Sensibilität (ausgelöst durch die Drogensucht ihrer Mütter während der Schwangerschaft) die Fähigkeit, die Emotionen künftiger Schwerverbrecher zu lesen und rechtzeitig Alarm zu schlagen. Sehr praktisch.

Aber auch sehr konstruiert. Jedenfalls ist es Fiktion (und wird es wohl auch bleiben). Die Grundidee ist aber nunmehr in der Realität angekommen. Ein Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, Menschen zu bestrafen, die die Absicht haben, in ein Terror-Camp des IS zu reisen. Damit soll ihre Ausbildung zu Terroristen verhindert und ihr Einsatz im IS-Terror vorsorglich unterbunden werden. So wünschenswert dies alles ist – die Fragen liegen auf der Hand: 1. Woher weiß man (ganz ohne Präkognition), welche Absicht jemand hat, der – zum Beispiel – nach Saudi-Arabien oder nach Pakistan fliegen möchte? Wie will man die Angabe, es gehe um den Besuch von Bekannten oder um besseres Wetter, rechtskräftig widerlegen? 2. Wie kann man einen Menschen für ein Vorhaben bestrafen, das nicht einmal anfänglich realisiert wurde? Strafbar wird ja unter Umständen schon der Aufenthalt in einem Terror-Camp sein – aber der Aufenthalt in einem Flughafen?

Im Film Minority Report wird das Precrime-System am Ende eingestellt. Der gut gemeinte Versuch scheitert am Missbrauch durch leitende Beamte. Die Missbrauchsanfälligkeit einer Rechtsfigur, die auf die Strafbarkeit von Gedanken ausgelegt ist, scheint in der Tat hoch. Abgesehen davon, dass sie für Prozesse im geltenden Rechtssystem, in dem es z.B. so etwas wie die Unschuldsvermutung gibt, untauglich ist.

(Josef Bordat)

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