Gesucht: Ein Beweis für die Auferstehung

27. August 2016


Es ist immer wieder erstaunlich, zu welchen Themenstellungen die Grundsatzfragen des Glaubens hervortreten. Aber Hauptsache, sie tun es überhaupt. So wurde als Reaktion auf eine sehr persönliche Einlassung zur Katholischen Kirche die Frage gestellt, ob die Autorin denn die Auferstehung beweisen könne. Hm.

Das Schöne an dieser Frage ist: Sie zielt ohne Umschweife auf das Zentrum des christlichen Glaubens. Will heißen: Ohne die Auferstehung brauchen wir uns über die Kirche und die Rolle der Frau in der Kirche und unterschiedliche normative Modelle zur Rolle der Frau in der Kirche keine Gedanken zu machen, auch nicht so positiv stimmungsvolle und ermutigende, wie sie die Autorin vorträgt.

An der Auferstehung scheiden sich die Geister, doch einig ist man sich offenbar in einem Punkt: Mit ihr steht und fällt alles. Von daher ist die Frage nach einem Beweis mehr als legitim.

Die Anschlussfragen lauten jedoch: Wie beweist man eigentlich die Auferstehung? Was würde als Beweis akzeptiert werden? Und: Warum gerade das? Ist es nicht vielmehr so, dass man als Zweifler immer weiter zweifeln würde (und das auch könnte), ganz egal, was der Gläubige vorbringt? Ist das nicht gerade das Wesen des Glaubens? Dass dem Ungläubigen der Beweis eben so wenig hilft, so wenig der Gläubige ihn nötig hat. Wer glaubt, braucht keinen Beweis, sondern Vertrauen, wer nicht glaubt, dem nützt kein Beweis. Nur Vertrauen.

Aber ich will auch zur Sache etwas sagen, denn argumentieren sollte man dürfen.

Ich setze zunächst voraus, dass folgendes unstrittig ist: Wer auferstehen will, muss zuerst sterben, und wer sterben will, muss zuerst leben. Nach allem, was wir wissen, hat Jesus gelebt. Wir sind über keine Persönlichkeit der Antike so gut unterrichtet wie über den historischen Jesus von Nazareth. Die vier Evangelien beschreiben das Leben Jesu zwar nur bruchstückhaft, doch ist das im Ergebnis immer noch weit informativer als das, was wir von der Schülergeneration des Sokrates über den wohl bekanntesten Philosophen wissen. Es gibt – im Gegensatz zum Fall Sokrates – neben den Zeugnissen der Schüler Jesu noch eine Reihe außerbiblischer Quellen, die Jesus erwähnen. Es gibt insgesamt mindestens neun Texte, die nicht zur Bibel gehören und in denen Jesus erwähnt wird. Es sind dies das Testimonium Flavianum (Flavius Josephus), eine Jakobusnotiz, der Talmud, die römische Geschichtsschreibung bei Sueton, Tacitus und Plinius dem Jüngeren sowie Notizen bei Thallus, Mara Bar Serapion und Lukian von Samosata. Sie alle erwähnen Jesus, in je unterschiedlicher Absicht. Wichtige Lebensereignisse – wie der Prozess und die Hinrichtung Jesu – gelten Historikern als bestens belegte Tatsachen, weit umfassender und stichhaltiger belegt sind als vergleichbare Ereignisse der antiken Welt. Zudem gibt es archäologische Befunde, die die Existenz Jesu nahelegen, etwa die Wandzeichnung eines gekreuzigten Esels, eine antike Karikatur, mit der sich der Künstler über die Verehrung eines Gekreuzigten lustig macht; unterschrieben ist sie mit „Alexamenos betet seinen Gott an“. Ergo: Gelebt hat er, der Jesus von Nazareth.

Gestorben ist er auch. In den Evangelien nimmt das Leiden und Sterben Jesu den größten Raum ein. Das Johannesevangelium beschränkt sich darauf, überhaupt nur die letzten Tage im Leben Jesu zu schildern. Doch auch die Synoptiker schreiben ausführlich über die Gefangennahme, das Verhör, die Verurteilung, die Kreuzigung. Also: Jesus ist gestorben. Mehr noch: Jesus wurde in ein Grab gelegt. Alles ganz normal bis hierhin.

Doch jetzt kommt etwas ungewöhnliches: Das Grab war am Morgen des dritten Tages leer. Dafür werden in den Evangelien verschiedene Zeugen benannt, die mit Schrecken und Entsetzen auf das leere Grab reagieren: Soldaten, die das Grab bewachen sollten, Frauen, die kamen, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren und die Jünger, die von den Frauen gerufen wurden. Bemerkenswert ist vor allem der Hinweis auf Frauen als Zeugen des leeren Grabes – mal zwei (Mt 28, 1), mal drei (Mk 16, 1), mal eine ganze Gruppe (Lk 24, 10) – , bemerkenswert deshalb, weil Frauen in der Antike nicht als zeugnisfähig galten. Hätte man da nicht etwas drehen können? Nicht, wenn man die Wahrheit berichtet! Und das leere Grab ist wahr. Dass das Grab leer war, wurde damals, als eine Nachprüfung noch möglich war, auch von den Juden nicht bestritten, umstritten war lediglich, warum das Grab leer war. Eine mögliche Deutung lautet: Jesus ist auferstanden.

Halt, Halt! Nach Ockham (Rasiermesser und so weiter) gibt es doch sicher viel einfachere Thesen für das leere Grab! Richtig. Die gibt es. Zunächst jedenfalls. Doch halten sie einer Prüfung nicht Stand.

Eine typische Erklärung für das leere Grab lautete bereits damals, dass der Leichnam Jesu gestohlen worden sei (Mt 28, 13), um die Auferstehung vorzutäuschen. Gegen die Leichenraubhypothese sprechen aber drei Dinge: 1. die Wachen vor dem Grab (Mt 27, 65), 2. der Stein vor dem Grab (Mt 27, 60) und 3. der Umstand, dass im Grab Leinentücher gefunden wurden (Joh 20, 5), höchstwahrscheinlich jene, mit denen man Jesu einbalsamierten Leichnam nach jüdischem Brauch umwickelt hatte (Joh 19, 40). Das heißt: Die Diebe hätten zunächst den Stein vom Eingang zum Grab entfernen müssen, ohne die Wachen zu alarmieren. Statt nun den Leichnam möglichst schnell aus dem Grab zu stehlen, sollen sie diesen erst einmal in aller Ruhe aus den Leinentüchern gewickelt haben, um diese dann im Grab zurückzulassen, nicht ohne zuvor das Schweißtuch von den Leinentüchern separiert und säuberlich zusammengebunden zu haben (Joh 20, 7)? Und das, obwohl sich ein starrer Körper nur sehr schwer handhaben lässt? Und das, obgleich der umwickelte und daher kompakte Leichnam wesentlich leichter zu transportieren gewesen wäre? Und das angesichts der großen Entdeckungsgefahr? Unplausibel.

Das Grab könnte aber auch in Kooperation der Jünger Jesu mit den Soldaten geleert worden sein. Übergehen wir mal die Frage, warum sich die Wachen auf solch einen Deal hätten einlassen sollen (viel zu bieten hatten die Jünger ihnen sicher nicht, ihre finanziellen Möglichkeiten waren gering und ihr politischer Einfluss war gleich Null), aber bleiben wir trotzdem mal dabei: die Auferstehung als Betrug. Über solcherlei Betrugsabsichten wurde damals schon spekuliert – unter der jüdischen Obrigkeit (Mt 27, 62-66). Warum aber erwähnt der Evangelist Matthäus dies? Wenn es den Betrug gab, könnten diese Worte dazu dienen, ein erklärendes Argument für die Skepsis nachzuschieben, die eine Generation nach Christus auftrat. Was jedoch eindeutig gegen die Betrugsthese spricht, das ist die Geschichte der Urgemeinde, der jungen Kirche. Eine Lüge gibt man irgendwann auf, wenn der Preis zu hoch wird, einen Betrug gesteht man ein, wenn der Widerstand zu groß wird. Zumindest zieht man sich schweigend zurück. Das Gegenteil ist aber der Fall: Gegen alle Widerstände wird die Nachricht verbreitet. Warum hielten sie daran fest, obwohl es sie sehr oft das Leben kostete (elf der zwölf Apostel erleiden das Martyrium)? Warum haben sie die Lüge, wenn es denn eine war, so gut durchgehalten? Welches Gut ist mehr wert als das eigene Leben? Doch nur eine Wahrheit, für die es sich zu sterben lohnt. Und keine Lüge! Paulus meint dazu, dass es sich nicht lohnte, für den Glauben zu sterben, wenn es nicht um die Auferstehung als wahren Kern dieses Glaubens ginge (1 Kor 15, 17-19). Wie wahr.

Und dann passiert ja noch etwas: Der Auferstandene zeigt sich den Jüngern, die Evangelien berichten davon. Wer nun meint, die Menschen in der Antike seien halt leichtgläubig gewesen und daher solchen Erscheinungen gegenüber aufgeschlossener als der moderne Mensch, der sollte sich vor Augen halten, dass mit dem Apostel Thomas die moderne Skepsis einen Vertreter in den Reihen der Jesus-Freunde hat. Thomas forderte nämlich auch einen Beweis, wobei er sehr genau definierte, welche Erfahrung ihn denn zum Glauben daran brächte, dass Jesus auferstanden ist: eine sinnliche nämlich. Er bekommt seinen empirischen Beweis – und glaubt. In einem Brief an die Gemeinde in Korinth, der etwa zwanzig Jahre nach der Auferstehung verfasst wurde, beschreibt der Apostel Paulus die Stimmung in der Jerusalemer Urgemeinde und nennt neben „Kephas“ (Petrus) und „den Zwölf“ (vgl. 1 Kor 15, 5) weitere Zeugen: „Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen“ (1 Kor 15, 6). Wenn Paulus ganz unbefangen schreibt, dass die meisten der Zeugen noch leben, hält er sie offenbar für so glaubwürdig, dass er keine Nachfragen an die Urgemeinde fürchtet. Zuvor fasst Paulus den christlichen Glauben zusammen: Christus ist „für unsere Sünden gestorben“, wurde „begraben“ und „am dritten Tag auferweckt“ (1 Kor 15, 3-4). Petrus wiederum stellt sich und die anderen Apostel als Zeugen zur Verfügung. An Pfingsten spricht er in Jerusalem zur mehrheitlich nicht-christlichen Bevölkerung und stellt die Auferstehung in den Mittelpunkt. Er sagt: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2, 32). Auch er scheut offenbar keine Nachfrage. Kein Wunder: Sie hatten nicht nur das leere Grab gesehen, sondern auch den auferstandenen Jesus.

Dagegen könnte man freilich die „Wahnthese“ ins Feld führen. Also: Haben sich die Jünger die Auferstehung und die Begegnungen mit dem Auferstandenen womöglich nur eingebildet und/oder eingeredet? So etwas ist durchaus denkbar. Halluzinationen kommen – zumal in Stresssituationen – nicht gerade selten vor. Nur ist es schwer vorstellbar, dass verschiedene Menschen an verschiedenen Orten urplötzlich unter der gleichen Psychose leiden, die dann Jahrzehnte lang andauert und offenbar hoch ansteckend ist. Nicht nur die Jünger hatten das überwältigende Gefühl der spürbaren Anwesenheit ihres Herrn, sondern auch eine ganze Menge anderer Menschen, darunter solche, die Jesus nie gefolgt waren oder ihn und seine Anhänger sogar verfolgt hatten, darunter Paulus (1 Kor 15, 3-8). Und mit dessen Berufung endet die Massenpsychose (also die Erscheinungen des auferstandenen Jesus) wieder – so urplötzlich, wie sie begann? Möglich, aber nicht überzeugend.

Ich weiß: Die Schlussfolgerung aus all dem (Jesus ist auferstanden!), ist für viele Menschen offenbar auch nicht überzeugend. Immerhin sind zwei von drei Menschen (noch) keine Christen. Und auch nicht alle, die als Christen geführt werden, glauben an die Auferstehung (folgt man Umfragen), obgleich dieser Glaubensinhalt für einen Christen unerlässlich ist. Eigentlich. Fest steht: Es bleibt wohl ein Rest an Glauben, an Vertrauen nötig, um die Auferstehung als Wahrheit anzunehmen. Diese Annahme kann keine Argumentation erzwingen (und auch kein Beweis, wie auch immer dieser aussähe). Aber vielleicht kann sie ja doch zum Nachdenken anregen. Damit wäre schon viel erreicht.

(Josef Bordat)

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