Herkules und Leo

23. April 2015


In den USA (wo sonst) hat ein Anwalt eine Haftüberprüfung beantragt. Für zwei Affen. Diese werden von einer Universität gehalten und würden damit, so der Anwalt, ihrer Freiheit beraubt. Ihnen werde ein artgerechtes (der Anwalt subsumiert: autonomes) Leben verwehrt. Herkules und Leo – so heißen die beiden Schimpansen – seien daher umgehend zu entlassen.

Die Tagesschau nimmt den Fall mit folgenden Worten auf: “Herkules und Leo leben hinter Gittern – gegen ihren Willen.” Genau hier liegt der Hase im rechtsphilosophischen Pfeffer: Woher wissen wir das? Woher kennen wir Herkules‘ und Leos “Willen”? Gibt es eine diesbezügliche Erklärung der Betroffenen? Und: Kann ein Anwalt tätig werden, ohne dazu beauftragt worden zu sein? Wer zahlt die Prozesskosten?

Mit derartigen Fragen will ich nicht einen sinnvollen Tierschutz (“Recht für Tiere”) ins Lächerliche ziehen, sondern vor sinnlosem Tierrecht (“Recht der Tiere”) warnen. Denn hier erlangte etwas Rechtssubjektivität, das nicht Rechtssubjekt sein kann, weil es eben gerade nicht “autonom” im Sinne einer “Selbstgesetzgebungsfähigkeit” ist.

Das Erstaunen über Tiere mit sozialer “Kompetenz” darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein Unterschied ist, ob ich handle, weil es die konkrete Situation so erfordert, oder weil es abstrakten Prinzipien gehorcht, unter Umständen auch gegen meine momentane Stimmung und meine eigenen Interessen. Letzteres verlangt Vernunft und ist damit ein Privileg des Menschen.

Verhalten – so geschickt es auch sei und so “intelligent” es für uns(!) aussieht – ist etwas anderes als Moral, deren Leitsätze uns mit praktischer Rationalität gedanklich die Verallgemeinerung des Verhaltens vornehmen lassen, um uns erst dann zu entscheiden, ob wir uns wirklich so verhalten wollen, wie es uns zunächst sinnvoll schien.

Herkules und Leo werden immer einen “Rechtsvertreter” brauchen, der sich für sie einsetzt und damit die eigenen Interessen nolens volens in die paternalistische Beschützerrolle einträgt. Der Anwalt hingegen (soweit er im Tagesschau-Bericht zu Wort kommt) erweckt den Eindruck, als sei die menschliche Deutung tierischen Verhaltens immer richtig. Dass das nicht sein kann, liegt auf der Hand (schon die menschliche Deutung menschlichen Verhaltens ist oft falsch).

Also: Statt auf eine ideologisch motivierte Mogelpackung (Recht der Tiere”) zu setzen, wären wirksame Schutzmaßnahmen in wohlverstandenem Eigeninteresse des Menschen zielführender. Und ehrlicher. Denn: Wenn Herkules und Leo eines mit Sicherheit nicht wollen würden, wären sie Rechtssubjekte, dann für die politische Agenda der Tierrechtslobby verzweckt zu werden. Denn das hieße, Objekt zu sein.

(Josef Bordat)