Die Passion Christi

4. April 2014


In der Passion Christi, wohl die bekannteste Geschichte der Menschheit, kommen einige Begebenheiten vor, die am Rande stehen. Es sind Details, aber doch wichtig genug, um erzählt zu werden, es sind bedeutende Nebensachen, gerade auch für uns heute. An zwei von diesen möchte ich erinnern.

Zum einen ist da in den Tagen vor der Passion des Herrn die Sache mit dem Öl, das allzu üppig verwendet wird. Markus schreibt: „Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen bei Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goß das Öl über sein Haar. Einige aber wurden unwillig und sagten zueinander: Wozu diese Verschwendung?“ (Mk 14, 3-4) Und dann: „Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können. Und sie machten der Frau heftige Vorwürfe.“ (Mk 14, 5) Das kennen wir: Ob Weltjugendtag oder Papstbesuch – die Gegenrechnung mit den Armen kommt auf den Tisch. Eine Rechnung, durch die der Herr einen Strich macht: „Jesus aber sagte: Hört auf! Warum laßt ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn die Armen habt ihr immer bei euch, und ihr könnt ihnen Gutes tun, so oft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer.“ (Mk 14, 6-7)

Im Johannesevangelium wird die Sache noch deutlicher ausgesprochen. Nicht nur, dass Johannes den Namen der Verschwenderin nennt (es ist Maria, die kontemplativ veranlagte Schwester der aktiven Marta), nein, der Evangelist lässt die Leserinnen und Leser auch über den Urheber des moral harassments nicht im Dunkeln: Judas Iskariot. Ausgerechnet Judas, „der ihn später verriet“ (Joh 12, 4), stellt die Gutmenschen-Frage: „Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben?“ (Joh 12, 5) Daraufhin wagt Johannes eine eigene Interpretation des Gehabes: „Das sagte er aber nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte.“ (Joh 12, 6)

Also: Aus verwerflichen Motiven wird denjenigen, die gute Motive haben, ein moralistischer Strick gedreht. Wie gesagt: Das kommt uns bekannt vor.

Zum anderen sind da die Spötter, die den Gekreuzigten sehen und nach einem empirischen Beweis verlangen, sei es, weil sie sich sicher sind, dass es den ohnehin nicht gibt, sei es, weil sie sich insgeheim wünschen, es gäbe ihn doch: „Die Leute, die vorbeikamen, verhöhnten ihn, schüttelten den Kopf und riefen: Ach, du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen? Hilf dir doch selbst und steig herab vom Kreuz! Auch die Hohenpriester und die Schriftgelehrten verhöhnten ihn und sagten zueinander: Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Der Messias, der König von Israel! Er soll doch jetzt vom Kreuz herabsteigen, damit wir sehen und glauben.“ (Mk 15, 29-32) Am Ende findet einer von den Heiden unterm Kreuz, ein ranghoher römischer Soldat, zum Glauben an Jesus, gerade über die Erfahrung eines empirisch wahrnehmbaren Ereignisses: „Da riss der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn.“ (Mk 15, 38-39) Später wird auch einer der Vertrauten des Herrn, der Apostel Thomas, die Empirie zur Basis seines Glaubens erheben („Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“, Joh 20, 25) und von Jesus die passende Botschaft erhalten („Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“, Joh 20, 27), verbunden mit der Belehrung über das Wesen des wahren Glaubens im Vertrauen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20, 29)

Das bedeutet: Nicht der empirische Beweis macht selig, sondern das Vertrauen auf die Gegenwart Gottes, den wir nicht sehen und an den wir doch glauben.

(Josef Bordat)