Effekte des Glaubens

8. Juni 2010


Es geht zum dritten (und letzten) Mal um Andreas Püttmanns Text „Verantwortung für die Schöpfung und christliche Bürgertugenden: Demoskopische Schlaglichter“, erschienen in: Unitas. Zeitschrift des Verbandes der wissenschaftlichen katholischen Studentenvereine Unitas (Nr. 2/2010, S. 98-105).

Im Rahmen der „Markt- und Werbeträgeranalyse“ des Allensbach-Instituts (2007) wurden Jugendliche und junge Erwachsene (14 bis 29 Jahre) gefragt, was für sie im Leben wichtig ist. Dabei wurde zwischen Menschen mit und ohne Religion/feste Glaubensüberzeugung differenziert. In 21 der 26 Punkte lagen die Religiösen vorn, nur „Abenteuer/Spannung“, „materieller Wohlstand“, „Risiko“, „beruflicher Erfolg“ und „Spaß/Genuss“ stand bei den Nicht-Religiösen höher im Kurs. Besonders deutlich sind die Unterschiede dort, wo es um moralisches Verhalten geht: „Soziale Gerechtigkeit“ finden 67 Prozent der Gläubigen wichtig (Konfessionslose: 52 Prozent). „Menschen helfen, die in Not geraten sind“ zählt für 72 Prozent der junge Menschen mit Religion zu den wichtigen Lebensthemen, bei denen ohne Religion sind es gerade mal 44 Prozent. „Für die eigene Familie dasein“, das wollen 84 Prozent der Gläubigen, aber nur 66 Prozent der Nicht-Gläubigen. Andere Items bestätigen die grundsätzlich höhere Moralität der Menschen mit Religion: „Verantwortungsübernahme“ – 47 zu 28 Prozent, „Naturerfahrung“ – 28 zu 22 Prozent, „Tierschutz“ – 33 zu 28 Prozent.

Dazu passen gut die Ergebnisse einer ganz aktuellen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (2010), die zeigen, dass junge Christen mit Migrationshintergrund deutlich seltener zu Gewalt greifen als junge muslimische oder nicht-religiöse Migranten. Seien unter den „sehr religiösen“ Muslimen bereits etwa 24 Prozent durch Gewaltdelikte aufgefallen, unter den „etwas religiösen“ Muslimen 20 Prozent und unter den „nicht religiösen“ Migranten 22 Prozent, hinken die „sehr religiösen“ christlichen Migranten mit 12 Prozent weit hinterher. Gott sei Dank.

Die Daten des Allensbach-Instituts (2007) widerlegen aber nicht nur die Mär vom „bösen“, sondern auch die Mär vom „dummen“, „engstirnigen“ und von der Kirche „unterdrückten“ Christen. So zeigt sich bei den jungen Gläubigen eine deutlich höhere Bildungs- und Leistungsorientierung („gute, vielseitige Bildung“ – 72 zu 55 Prozent, „immer Neues lernen“ – 66 zu 55 Prozent, „viel leisten“ – 42 zu 30 Prozent).

Auch die Offenheit für fremde Kulturen ist für junge Christen ein wichtiges Thema. Bereits im ersten Teil war deutlich geworden, dass Christen toleranter und offener sind als Konfessionslose. Dort ging es um „Kirchgangsfrequenz“, so dass man hätte unterstellen können, dass andere soziale Merkmale stärker durchschlagen als Religiosität (etwa Alter und Geschlecht). Jetzt also die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Vergleich. Und siehe da: „Viel über andere Kulturen lernen“, das möchten in der Gruppe der Religiösen mit 40 Prozent fast doppelt so viele wie unter den Konfessionslosen (21 Prozent).

Was nun noch bleibt ist die Freiheit, mit der sich Konfessions„freie“ gerne schmücken. Doch auch ein Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmung zeichnet Christen wesentlich öfter aus als Menschen ohne Glauben. Während der Wunsch nach Unabhängigkeit und danach „sein Leben weitgehend selbst bestimmen zu können“ noch in beiden Gruppen etwa gleich stark vorhanden ist (68 zu 67 Prozent), können Christen ihn öfter realisieren. In Westdeutschland fühlen sich nach einer Allensbach-Umfrage (1996) 63 Prozent der Katholiken und 54 der Protestanten, aber nur 47 Prozent der Konfessionslosen „vollkommen oder ziemlich frei“. In Ostdeutschland sind die Verhältnisse ähnlich, allerdings auf insgesamt niedrigerem Niveau: Katholiken – 51 Prozent, Protestanten – 50 Prozent, Konfessionslose – 40 Prozent.

Das Bild vom „Kirchengefängnis“, aus dem man sich unbedingt befreien muss, um menschenwürdig zu leben, offenbart sich als Zerrbild. Von der Vorstellung, durch Kirchenaustritt den festen Klauen einer brutalen Institution zu entkommen, die einem in ihrer mittelalterlichen Verstaubtheit die Luft zum aufgeklärten Atmen nimmt, von der Idee, der Mensch könne nur ohne Glauben zu neuen Ufern der Freiheit vorstoßen, bleibt in der Pauschalisierung nichts übrig. Gar nichts.

Ebenso wenig wie von dem Vorurteil, durch religiöse Erziehung (oft zur Verdeutlichung der angeblichen Schädlichkeit und des projizierten Zwangscharakters „Indoktrination“ genannt) würden Menschen für psychische Erkrankungen prädisponiert. Anhand von über 200 Studien in den USA (also dort, wo man angeblich die größten Sorgen hinsichtlich systematischer psychischer Deformation durch Religionsgemeinschaften haben muss) ist festgestellt worden, dass religiöse Menschen eine überdurchschnittliche Psychohygiene aufweisen.

Oft und gerne herbeizitierte Phänomene wie die „ekklesiogene Neurose“ (Schaetzing) oder die „Gottesvergiftung“ (Moser) erscheinen trotz ihrer Aufnahme in den Kanon psychotherapeutischer Begriffe im Lichte der Daten als plumpe Vorurteile, die durch nichts belegt sind, im Gegenteil: die Korrelation zwischen psychotischen und neurotischen Krankheitsbildern und der Religiosität ist – je nach Studie – entweder nicht vorhanden oder signifikant negativ. Püttmann fasst zusammen: „Der Glaube an einen gütigen Gott gehe mit einem höheren Grad an seelischer Gesundheit einher, erleichtere die Bewältigung von Stress, Kummer, Verlust und Lebenskrisen und beschleunige Genesungsprozesse.“ Es sorgt also nicht etwa die angeblich religionspädagogisch geförderte „Angst vor der Hölle“ für ein später teuer und langwierig zu therapierendes Grauen in der Kinderseele, sondern wahr ist: Die Ahnung der Geborgenheit und Liebe Gottes, die Kinder qua natura haben und die ihre Eltern und Religionslehrer zum informierten Glauben aufrunden, sorgt für eine höhere psychische Stabilität. Geahnt hatte man das schon immer – gut, dass man es jetzt weiß.

Hoch interessant ist, dass religiöse Erziehung selbst dann noch positiv nachklingt, wenn sich die nunmehr Erwachsenen von der Religion losgesagt haben. Die Versöhnungsbereitschaft bei Streitigkeiten innerhalb der häuslichen Gemeinschaft ist am größten bei Menschen, die religiös erzogen wurden und auch immer noch religiös sind. 77 Prozent aus dieser Gruppe sagen, dass es ihnen gelingt, sich schnell zu versöhnen, wenn es zu Hause Krach gab. Bei denen, die eine religiöse Erziehung genossen, sich nun aber nicht mehr als religiös betrachten, sind es noch 67 Prozent. Bei Menschen ohne religiöse Erziehung sind es 64 Prozent. Auch andere ethisch relevante Items zeigen die gute Wirkung religiöser Erziehung: „Wir sprechen viel miteinander“ – 77, 69 und 64 Prozent, „In unserer Familie gibt es viel Wärme und Geborgenheit“ – 75, 67 und 64 Prozent, „Man nimmt sich viel Zeit füreinander“ – 54, 51 und 45 Prozent. Fazit: Wenn schon nicht religiös, dann wenigstens religiös erzogen.

Wem diese (und noch andere) Daten und Analysen zusagen, möge sich Andreas Püttmanns neues Buch „Gesellschaft ohne Gott. Risiken und Nebenwirkungen der Entchristlichung Deutschlands“ besorgen, das in Kürze bei Gerth-Medien erscheint. Es geht beim christlichen Glauben zwar um Wahrheit, nicht um Nutzen, doch ein Seitenblick auf die Effekte des christlichen Glaubens bzw. einer religionslosen Gesellschaft lohnt allemal.

Zu Teil 2

(Josef Bordat)

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