Caritas in Berlin. Entweltlichung im Praxistest

23. Februar 2012


Seit Anfang 2012 arbeitet die Obdachlosen-Ambulanz am Bahnhof Zoo ohne gesicherte Finanzierung. Wir Berliner Katholiken sollten sie unterstützen. Alle anderen auch.

Entweltlichung – ein Schlagwort, das vom Papstbesuch im September 2011 noch gut in Erinnerung und seither in vieler Munde ist. Doch was bedeutet das konkret? In meinem Bericht über den Besuch des Berliner Erzbischofs Rainer Maria Woelki in der KSG Berlin hatte ich die Auskunft des Kardinals kurz referiert: Wenn der Kirche für eine ihrer karitativen Aufgaben die staatlichen Zuschüsse gestrichen werden, solle sie nicht aufgeben, was sie nach weltlichen Kriterien tun müsste, sondern ihren Dienst nach dem Auftrag des Evangeliums fortsetzen. Entweltlicht eben. Als Beispiel nannte der Berliner Kardinal die von Mittelkürzungen bedrohte Migrantenarbeit in der Hauptstadt.

Nun sind mir die Hintergründe bekannt geworden: Bei den betroffenen Migranten handelt es sich um wohnungslose Menschen aus Osteuropa, die in der Obdachlosen-Ambulanz der Caritas am Bahnhof Zoo kostenlos medizinische Versorgung erhalten. Also: Für sie ist die Versorgung ihrer Wunden (aber immer öfter auch ihrer Seele) kostenlos, nicht aber für die Caritas, die vom Senat für diese Arbeit bislang mit etwa 100.000 Euro pro Jahr gefördert wurde, Geld, das dringend nötig ist, um die 15 bis 20 Patienten täglich angemessen behandeln zu können. Weil jedoch mit den Herkunftsländern der Migranten (vor allem Polen, Litauen und Rumänien) keine so genannten Fürsorgeabkommen existieren, bliebe das Land Berlin letztlich auf den Kosten der Caritas-Arbeit sitzen. Das will der Senat offenbar nicht. Daher hat er beschlossen, die Fördergelder für die Obdachlosen-Ambulanz zu streichen.

Als deutscher Staatsbürger kann ich das gerade noch so nachvollziehen, als katholischer Christ nicht. Als solchem ist es mir nämlich egal, woher ein behandlungsbedürftiger Wohnungsloser kommt. Die Caritas sieht das genauso. Eine Behandlung nur nach Passkontrolle kommt für sie nicht in Frage, zumal die Ambulanz am Zoo de facto die einzige Anlaufstelle für kranke oder verletzte osteuropäische Migranten ohne Wohnung ist – wegen der Problematik mit den nicht vorhandenen Fürsorgeabkommen schicken andere medizinische Einrichtungen diese Menschen nämlich regelmäßig weg. Freilich nicht, ohne ihnen den Tipp zu geben, wo sie stattdessen behandelt werden: in der Obdachlosen-Ambulanz der Caritas am Bahnhof Zoo.

Seit Anfang des Jahres arbeitet die Caritas am Bahnhof Zoo ohne gesicherte Finanzierung. Doch sie arbeitet. Denn wund gelaufene Füße, Erfrierungen und Grippeviren gibt es leider auch seit 1. Januar 2012. Auch Litauer sind davon betroffen, trotz fehlendem Fürsorgeabkommen. Im Klartext: Sowohl die festen Angestellten (eine Krankenschwester und ein Pfleger auf einer Drittel-Stelle, dazu ein geringfügig beschäftigter Sozialarbeiter) als auch die fünf ehrenamtlich tätigen Ärzte geben ihre Aufgabe nicht auf, was sie nach weltlichen Kriterien tun müssten. Sie teilen weiter zu: Verbände, Medikamente, Zeit. Nach dem Maß des Evangeliums. Das bedeutet: Niemand wird in der Not allein gelassen. Auch kein Rumäne.

Wir Berliner Katholiken sollten sie dabei unterstützen. Wenn jeder nur einen Euro gäbe, wäre die wichtige Arbeit für rund drei Jahre gesichert. Wie wäre es mit einer Sonderkollekte im Erzbistum? So geht das nämlich: Entweltlichung.

(Josef Bordat)

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