Kurz kommentiert

29. Juli 2017


Es hat nicht immer Sinn, sich in Facebook-Debatten zur Kirche einzuschalten.

„Die Kirche soll sich aus dem Bildungssystem heraushalten!“

Gut, dass sie das vor 1000 Jahren nicht getan hat, sonst hätten wir heute weder Bibliotheken noch Schulen. Ohne die Kirche hätte es keine Universitätsgründungen gegeben, nicht im mittelalterlichen Europa und auch nicht später in Lateinamerika, in Afrika und in Asien. In den Wahlsprüchen renommierter Einrichtungen wie dem der Universität Oxford ist die christliche Grundierung heute noch erkennbar: Dominus Illuminatio Mea – Der Herr ist mein Licht (Psalm 27, 1). Unsere deutsche Sprache, ohne die wir die Welt nicht in den Be-Griff bekämen, hat sich durch die Arbeit von Theologen entwickelt: Notker, Eckhart, Luther.

Auch die Naturwissenschaft entwickelte sich nicht gegen die Kirche, sondern in der Kirche. Astronomen wie Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler wurden gerade durch ihren Glauben zur naturwissenschaftlichen Forschung motiviert, aber auch zu theologischen Studien (Kepler) bzw. zu einer Promotion im Kirchenrecht (Kopernikus). Kopernikus҆ Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium (1543), in welchem er das „ach-so-ketzerische“ heliozentrische Weltbild als Hypothese vorstellte, war Papst Paul III. gewidmet und bildete die Grundlage für die Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. (1582). Louis Pasteur und Gregor Mendel, Giuseppe Moscati und Louis de Broglie, Georges Lemaître und Jérôme Lejeune waren gläubige Katholiken, die ihren großen Beitrag zur Wissenschaft auf der Grundlage ihres festen Glaubens leisteten.

„Das Folterverbot wurde gegen die Kirche erstritten!“

Die Kritik an der Folter kam „wirkungsvoller aus dem kirchlichen Bereich als aus dem säkularen“, ein Befund, der „bis heute frappierend [wirkt]“ (Arnold Angenendt: Toleranz und Gewalt. Das Christentum zwischen Bibel und Schwert. Münster 2012, S. 319). Zu nennen ist insbesondere Friedrich Spee von Langenfeld. Im Zentrum der Kritik Spees an den Hexenprozessen (1631 erscheint sein Hauptwerk, die Cautio criminalis seu de processibus contra Sagas Liber, „Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse“) steht die Anwendung der Folter, die damals zur „Wahrheitsfindung“ eingesetzt wurde. Spee hält Folter zwar auch für moralisch verwerflich, doch zunächst und vor allem für verfahrensrechtlich untauglich. Eine Einschätzung, die die päpstliche Inquisition in Rom teilte; sie hatte als erste namhafte neuzeitliche Rechtsinstitution bereits Anfang des 17. Jahrhunderts erkannt, dass Folter zu Fehlurteilen führt und daher ihre Anwendung de facto eingestellt. Weltliche Gerichte haben danach noch eine ganze Weile weiter foltern lassen.

„Die Sklaverei wurde von Christen betrieben, deren Ende musste gegen ihren Widerstand durchgesetzt werden!“

Zwischen 1500 und 1800 wurden fast 11 Millionen Menschen aus Afrika nach Amerika und Europa verschleppt. Auch von Christen, das ist wahr. Zugleich unter dem Protest von Christen, von prominenten Christen wie Papst Urban VIII. und einfachen Missionaren wie Petrus Claver. Die Aufklärung schließlich entwickelte zur Sklavenfrage „keine eigenen Positionen, sondern übernahm allmählich die Positionen der Quäker und Evangelikalen“ (Egon Flaig, zit. nach Angenendt, S. 222 f.). Ansonsten kann man in der Sklavenfrage mit Delacampagne von der „Gleichgültigkeit der Humanisten“ und dem „Schweigen der Philosophen“ sprechen, die sich höchstens, so Robin Blackburn, zu Wort meldeten, um die religiösen Begründungen der Sklaverei durch pseudowissenschaftliche Versuche „rassischer Anthropologie“ zu ersetzen (Angenendt, S. 223).

Wie aber kam es tatsächlich zum Ende der Sklaverei, wenn selbst im aufgeklärten 18. Jahrhundert „nur wenige“ der führenden Denker und Lenker „an eine restlose Abschaffung der Sklaverei“ dachten? (Barbara Stolberg-Rillinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung. Stuttgart 2000, S. 276). Arnold Angenendt erinnert an die Rolle der „englischen und amerikanischen Dissenters, die ihre Länder zunächst für ein Verbot des Sklavenhandels und dann auch des Sklavenbesitzes zu mobilisieren vermochten“ (S. 224). Sie beriefen sich nicht auf politische Revolutionen, sondern auf die Revolution schlechthin: „den durch Christi Sühneblut bewirkten Loskauf“ (ebd.), die Erlösung des Menschen, die zur Befreiung aller Menschen motiviert. Die „einzig im Christentum eingeleitete Abschaffung der Sklaverei“ (nur im Christentum sei sie überhaupt zum „religiösen Problem“ geworden) verdankt sich allerdings, so Angenendt mit McKivigan, „mehr christlichen Prinzipien als christlichen Institutionen“ (S. 226).

Vielleicht hat es aber Sinn, diejenigen, die sich an diesen Facebook-Debatten beteiligen, mit ein paar Hinweisen zu inspirieren. Vielleicht.

(Josef Bordat)