Die Negers von Afrika

26. November 2015


Kein geringerer als der vielleicht bekannteste deutschsprachige Philosoph Immanuel Kant hat vor über 200 Jahren mal folgendes geschrieben: „Die Negers von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege. [N]icht ein einziger [ist] jemals gefunden worden, der entweder in Kunst oder Wissenschaft, oder irgend einer anderen rühmlichen Eigenschaft etwas Großes vorgestellt [hat].“*

Aber immerhin – so könnte man nach der Lektüre von katholisch.de rund 200 Jahre später hinzufügen – macht genau das die Negers von Afrika zu idealen Kandidaten für die Katholische Kirche. Denn dort, also auf katholisch.de, liest man: „So wie in Afrika. Natürlich wächst die Kirche dort. Sie wächst, weil die Menschen sozial abgehängt sind und oft nichts anderes haben als ihren Glauben. Sie wächst, weil der Bildungsstand durchschnittlich auf einem niedrigeren Niveau ist und die Menschen einfache Antworten auf schwierige (Glaubens)fragen akzeptieren.“

An diesem Absatz ist leider kaum etwas richtig. Und nicht nur das: Es ist leider auch kaum etwas gut an diesen Zeilen.

1. Die Rede von „Afrika“ ist aufgrund der Heterogenität des Kontinents – gerade auch in Fragen von Religionszugehörigkeit, Bildung und Sozialstandards – sinnleer. Marokko hat mit Mosambik, Südafrika mit dem Südsudan so viel zu tun wie Marienkäfer mit Digitalkameras. Obwohl: Ich kannte mal einen, der saß auf dem Auslöser. Flog dann aber wieder weg.

2. Eher vorsichtig wäre ich – spätestens seit PISA und Co. – mit allzu überheblichen Beurteilungen des Bildungsstands in anderen Teilen der Welt. Wenn der Glaube tatsächlich dort „natürlich“ wächst, wo die Menschen über mangelnde Bildung verfügen, wäre Deutschland längst ein Vorort des Himmlischen Jerusalem. Übrigens: Die erste Herzverpflanzung fand nicht in Heidelberg statt.

3. Wer sich dem christlichen Glauben zuwendet, muss irgendwie einen an der Ratsche haben. Zumindest darf er nicht besonders gebildet sein. Denn das stört, ganz empfindlich sogar. Das ist eine These, die ich sonst eher aus der Ecke des militant-missionarischen Anti-Theismus kenne, denn dort gilt Glaube und Vernunft als inkommensurabler Widerspruch. Nicht aber in der katholischen Theologie, katholisch.de. Hausaufgabe: Ratzinger lesen! Oder überhaupt. Mal wieder.

4. Der Afrikaner ist arm (vulgo: „sozial abhängig“), und als armer Mensch flüchtet er in die reiche Kirche. Hört sich plausibel an, ist es aber nicht. Die Kirche wächst nämlich auch in Südkorea (sogar ziemlich genau im gleichen Maß wie im zentralen Afrika – zwischen 2 und 3 Prozent jährlich). Südkoreas Wirtschaft zählt zu den seit 50 Jahren am schnellsten wachsenden in dieser Welt. Gemessen am nominalen Bruttoinlandsprodukt liegt Südkorea derzeit auf Platz 15, unter Berücksichtigung der Kaufkraftparität sogar auf Platz 12. Ähnliches ließe sich über China sagen, aber dort ist die Datenlage, was Kirchenzugehörigkeit angeht, nicht überschaubar. Jedenfalls nicht für mich.

5. Wer nichts anderes hat als den Glauben, muss eben glauben. Auch diese leicht tautologische These lässt sich – akzeptiert man deren Prämisse – kaum widerlegen. Allein: Stimmt das denn? Hat „der“ Afrikaner „oft“ nur „seinen“ Glauben? Keine Wissenschaft, keine Literatur, keinen Sport? Nichts, das ihm sonst irgendwie Freude bereitet? Nichts, das ihn ablenkt? Und die Kirche daher keine echte Konkurrenz in Sinnstiftungsfragen? Das hieße dann ja: Wenn sie sich anständig organisiert, wird ganz „Afrika“ katholisch. Natürlich.

Und in der Tat, katholisch.de hat einen genialen Plan: „Die Kirche braucht auch einen Apparat und Geld, um Gutes zu tun.“ Denn, so haben wir gelernt: Wenn Haben auf dem Konto blinkt, der ungebildete, sozial abhängige Afrikaner, der sich nicht für Fußball interessiert und auch sonst ziemlich weit neben der Spur liegt, in die Kirche springt. Das Leben kann manchmal so einfach sein. Fast so einfach wie die Negers von Afrika.

(Josef Bordat)

*) Terroristen: Das ist ein Zitat. Ein Zitat ist etwas, das ein Anderer gesagt hat. Der Mann, der das gesagt hat, ist schon tot.

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