Eiferer. Und andere Berliner

21. Januar 2015


Über einen interessanten Text beim immer wieder lesenswerten Berliner Kollegen King Bear wurde ich auf das Titelblatt eines Berliner Stadtmagazins namens Zitty hingewiesen, das zielgruppenadäquat verkündet: „Gott ist doof“. Im Untertitel heißt es dann: „Islamisten, Pegida, Eiferer: Warum Berlin gar keine Religion braucht“. Ich werde jetzt nicht hingehen und untersuchen, ob der Gedankengang, der dieser weitreichenden Schlussfolgerung im Rücken steht, in sich stringent ist (einen solchen entfaltet zu bekommen, wäre vielleicht auch zu viel verlangt, von einem Berliner Stadtmagazin). Ich bleibe nur mal bei dem Titelblatt.

„Religion“ ist da näher bestimmt als „Islamisten, Pegida, Eiferer“. Da staunt der Laie mit religionswissenschaftlichem Anfangsinteresse. Waren nicht Islamisten gerade diejenigen, deren Handeln nichts mit dem Islam zu tun hat? Und werden – wenn mich jetzt nicht alles täuscht, was durchaus vorkommen kann – diese hier ziemlich direkt mit dem Islam in eins gesetzt? Abgelehnt wird bildlich eine stilisierte Moschee, also das Symbol für ein islamisches Gotteshaus, nicht etwa eine Kalaschnikow oder eine Bombe. Ist also für dieses Berliner Stadtmagazin Islam und Islamismus am Ende des langen Tages das gleiche?

Das bringt mich zur nächsten Bestimmungsgröße von „Religion“: „Pegida“. Klar, das waren ja auch die, die zwischen Islam und Islamismus unterscheiden. Und das ist doof. Verstehe. „Pegida“ steht hier offenbar als paradigmatischer Platzhalter für „Christentum“, denn eine Kirche ist ebenso unter den unerwünschten Gebäuden. Zwar hat „Pegida“ dort den meisten Zulauf, wo es die wenigsten Christen gibt, aber mit Details braucht man der Leserschaft dieses Berliner Stadtmagazins nicht auch noch zu kommen. „Gott ist doof.“ Reicht.

Also: keine Moslems, keine Christen. Jetzt wird’s schwierig. Haus mit Davidstern (vulgo: Synagoge). Na, dämmert’s? Genau: Das Judentum wird auch nicht mehr gebraucht. In Berlin. Das ist jetzt keine Idee, die Gefahr läuft, den Innovationspreis zu erhalten, klar, aber immerhin traut sich mal wieder jemand, das in aller Deutlichkeit zu sagen bzw. zu zeichnen.

Was mir allerdings überhaupt nicht zugänglich ist, das sind in diesem Zusammenhang die „Eiferer“. Erstens können damit kaum die Juden Berlins gemeint sein, zweitens ist die moralische Bewertung von Begriffen wie „Eifer“, „Strebsamkeit“, „Fleiß“ doch – so sollte man zumindest meinen – stark abhängig vom Gegenstand, auf den sich „Eifer“, „Strebsamkeit“, „Fleiß“ richten und nicht schon prima facie schlecht.

Ach, so – jetzt verstehe ich: Wenn der Gegenstand eines von diesem komischen „Religion“ ist, dann kann das natürlich nur schlecht sein, weil „Religion“ ja das Schlechte ist. Manchmal ist man aber auch wie vernagelt! Dabei muss man nur Eins und Eins zusammenzählen oder im Wiktionary nachgucken. Da steht bei „Eiferer“ als Beispielsatz: „Der Angriff erfolgte durch einen religiösen Eiferer.“ Die Grundgleichung der Zeitgeistarithmetik lautet: „Religion“ plus „Eifer“ gleich „Angriff“. Gilt dann wohl auch für Juden. Und wenn Mitglieder einer Pfarrgemeinde die Nachtwache in der Flüchtlingsunterkunft übernehmen, dann ist das „Engagement“. Klar? Klar.

Noch was? Ja. Paulus hat mal gesagt: „Ich bin ein Jude, geboren in Tarsus in Zilizien, hier in dieser Stadt erzogen, zu Füßen Gamaliëls genau nach dem Gesetz der Väter ausgebildet, ein Eiferer für Gott, wie ihr alle es heute seid.“ (Apg 22, 3) In Berlin hätte dieser Paulus also keine Zukunft. Und „ihr alle“ auch nicht. Dafür werden schon diejenigen sorgen, die ihr Wissen über „Religion“ den Titelblättern Berliner Stadtmagazine entnehmen.

(Josef Bordat)

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