Fußball im Fieber

30. Mai 2015


Es ist immer wieder schön zu beobachten, wie am Tag des Berliner Pokalendspiels die Fans der beiden Finalisten das Stadtbild prägen. In kleinen Gruppen erkunden sie Berlin, sammeln sich an neuralgischen Punkten und ziehen dann Richtung Olympiastadion. Das geht immer sehr friedlich und familiär zu. Das Pokalendspiel als Fußballfest.

Und das in Tagen, in denen der Fußball auf dem Prüfstand steht. Respektive der Organisator des Weltfußballs, die FIFA. Korruption habe es gegeben, ein Milliardengeschäft sei das Spiel, hochpolitisch die Angelegenheit. Man solle die FIFA-Wettbewerbe boykottieren, wird verlangt. Von der UEFA. Als sei die mildtätig.

Dass der Fußball ein Milliardengeschäft ist, darauf hätte man schon vorher kommen können. Seitdem Peter Ueberoth die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles erstmals als rein privat finanzierte Veranstaltung managte und zu einem gigantischen Überschuss führte, hat der Sport seine ökonomische Unschuld verloren. Er schwimmt seither im neoliberalen Strom nur einem Ziel entgegen: Profit.

Und das gilt insbesondere für medienwirksame Sportarten, die eine hohe Nachfrage erzielen. Zum Beispiel für den Fußball. Er ist kein zweckfreies Spiel, sondern ein Geschäft mit Gewinnorientierung. Und das fängt eben nicht erst bei Real Madrid an, sondern in der C-Jugend der Sportfreunde Neuersburgen, wo es für ein geschossenes Tor nach dem Schlusspfiff 50 Euro gibt. Es hat keinen Sinn, sich besonders schillernde Belege wie den FC Chelsea, Redbull Leipzig, Paris Saint-Germain oder Dietmar Hopp auszugucken, um den Frust an der verlorenen Seele des Spiels loszuwerden.

Wir müssen sehen, dass auch die beiden sympathischen Mannschaften, die heute Abend im Berliner Olympiastadion um den DFB-Pokal spielen, Wirtschaftsunternehmen sind: eine börsennotierte Aktiengesellschaft (Borussia Dortmund) und eine 100-Prozent-Tochter des Automobilherstellers Volkswagen (VfL Wolfsburg). Es geht um den Pokal, aber vielmehr noch um den Eröffnungskurs am Montag Morgen und den Werbewert für die Bilanz.

Freilich kann man dieser grauen Wirklichkeit die Ästhetik des Spiels entgegenhalten, die Schiller als Ausdruck von ganzheitlicher Humanität begriff, oder mit Marcuse die „Eindimensionalität“ („Geld, Geld, Geld!“) kritisieren. Doch ändern wird es wohl nichts. Der Fußball ist ja keine Insel des kühlen Kapitalismus in einem Meer aus Menschlichkeit, sondern eben auch nur eine Manifestation des allmächtigen Marktes.

Daran werden selbst die Fans nichts ändern. Warum denn auch? Die meisten von ihnen können nachvollziehen, dass die Leistung der Spieler gut honoriert werden muss, und ich meine mit Leistung nicht allein die sportlichen Parameter. Wichtiger noch ist ihre kaum zu überschätzende Leistung, viele Millionen Menschen regelmäßig für ein paar Stunden in der Woche den grauen Alltag vergessen zu lassen. Was die Kirche nicht mehr schafft, schafft der KSC.

Ich denke: Es geht beides zusammen – die Einsicht in das ökonomische System des Spitzensports und die Freude am Fußball. Der muss kein zweckfreies Spiel sein, um uns zu gefallen. Gerade der Wettbewerb, gerade die exzentrischen Stars, gerade die medial gesteigerte Fallhöhe großer Namen ist es doch, was uns fesselt. Wenn wir ehrlich sind. Also: Fußball bleibt ein Spiel, nur der Einsatz erhöht sich. Ständig.

(Josef Bordat)

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