Noch einmal: Was sagt Franziskus?

1. September 2015


Und was nicht? Und worum geht es überhaupt?

Im Zusammenhang mit dem Erlass des Papstes zum Heiligen Jahr das Verfahren beim Sakrament der Versöhnung im Falle schwerer Sünden betreffend gibt es einige Fragen, die direkt oder implizit in den Kommentaren gestellt werden. Ich will versuchen, diese zu beantworten.

Ich dachte immer, es werden alle Sünden vergeben?

Ja, grundsätzlich: Ja. Wenn Reue über das sündige Handeln und der Wille zur Besserung besteht, kann durch die Gnade Gottes Vergebung geschehen – ohne Wenn und Aber. Wenn ein Priester der Meinung ist, jemand meint es ernst mit der Absicht, neu zu beginnen, dann wird er ihm auch die Absolution erteilen.

Na, dann ist ja alles klar!

Nicht ganz. Die Absolution im Rahmen des Sakraments der Versöhnung im Falle schwerer Sünden wie Abtreibung darf nur von einem Bischof oder einem von diesem dafür beauftragten Priester erteilt werden.

Wieso?

Der Hintergrund ist folgender: Bestimmte Sünden ziehen die Exkommunikation als Tatstrafe nach sich. Die Abtreibung ist eine solche Sünde. Wenn also jemand zu einem Priester geht und sagt, er habe diese bestimmte Sünde begangen, ist er diesem Priester als exkommunizierte Person bekannt. Exkommunizierte Personen gehören – wie der Name schon andeutet – nicht mehr der Gemeinschaft an. Ihnen dürfen keine Sakramente gespendet werden. Und die Beichte ist ein solches Sakrament.

Also kann man eine Sünde, die Exkommunikation als Tatstrafe nach sich, gar nicht beichten, auch, wenn man sie bereut und sich bessern will?

Im Prinzip erstmal nicht. Zunächst müsste die Exkommunikation aufgehoben werden. Es gibt aber für solche Fälle eine praktikable Lösung: Der reuige Sünder beichtet, und der Beichtvater merkt: „Aha, eine Sünde, die Exkommunikation als Tatstrafe nach sich zieht!“ Nun müsste er das Gespräch beenden und die Person bitten, zuerst wieder in die Gemeinschaft zurückzukehren und sich dann wieder bei ihm zu melden. Das ist aber pastoral nicht durchzusetzen.

Ja, und dann?

Dann wird die Reihenfolge umgedreht: Nicht mehr zuerst Lossprechung von der Exkommunikation, gleichbedeutend mit Wiederaufnahme in die Gemeinschaft, und dann die Sakramentenspendung (hier also die Absolution), sondern diese jetzt und gleich und sofort, sozusagen „auf Pump“, unter der Bedingung, dass die betreffende Person binnen eines Monats zum Bischof geht und um Lossprechung von der Exkommunikation bittet. Erst wenn diese erfolgt ist, wird die sakramentale Lossprechung „kirchenrechtskräftig“. Das nennt man Rekurs.

Echt jetzt – zum Bischof?

Genau. Denn die Lossprechung von der Exkommunikation ist ein eigenes Verfahren, das normalerweise nur der Papst zu führen berechtigt ist, oder ein Bischof, der vom Papst qua Amt dazu autorisiert ist. Der Bischof darf die Autorisierung seinerseits an Priester seiner Diözese delegieren. Für dieses Verfahren autorisiert Papst Franziskus nun in dem Erlass zeitlich befristet alle Priester. Mehr steckt nicht dahinter.

Kann man das nicht generell so beibehalten, also über das Heilige Jahr hinaus?

Das entscheidet der Papst. Ansatzweise gilt die „Sonderregelung“ auch schon generell und wird eigentlich in der pastoralen Praxis gar nicht mehr als solche bemerkt. In einigen Diözesen sind alle Priester grundsätzlich qua Weihe autorisiert, etwa in den deutschen Diözesen. Auch kann in Todesgefahr selbstverständlich von der Rekursverpflichtung abgesehen werden. Dennoch hat die Sache formal einen Sinn: Erst die Rückkehr in die Gemeinschaft, dann die Inanspruchnahme der Möglichkeiten, die diese Gemeinschaft bietet. Das ist doch ganz normal. Man muss es auch mal so sehen: Bei einer Zahnzusatzversicherung oder beim Rechtsschutz hat man für gewöhnlich ein halbes Jahr Sperrfrist, bei der Kirche nicht. Aber auch inhaltlich ist das nicht völlig sinnlos: Schwere Sünden, die Exkommunikation als Tatstrafe nach sich ziehen, bekommen so auch moralisch ein besonderes Gewicht, werden als schwere Sünden spürbar. Das gilt nicht nur für Abtreibung, sondern auch für andere Vergehen gegen die Kirche, gegen den Glauben oder auch gegen den Papst als Person.

Warum gibt es denn überhaupt unterschiedliche Arten von Sünde?

Die Kirche versucht damit dem naturrechtlichen Gedanken Rechnung zu tragen, dass einige Verfehlungen schwerer wiegen als andere. Rein intuitiv empfinden wir Gewalt gegen Personen als schwerwiegendere Eingriffe in die Gerechtigkeit als Gewalt gegen Sachen. Mord ist insofern schlimmer als Betrug bzw. wird als schlimmer empfunden. Und wird demgemäß härter bestraft. Die Tötung eines Unschuldigen gilt in der Kirche als schwere Sünde. Die Kirche orientiert sich hier an den Zehn Geboten, aber auch an naturrechtlichen Überlegungen. Besonders schwer wiegt, dass im Fall der Tötung eines Menschen das Leben dieses Menschen, der nach Gottes Willen ein einzigartiger Teil der Schöpfung ist, unwiderbringlich ausgelöscht wurde. Betrug kann man ausgleichen, Mord nicht. Darüber hinaus sieht sich die Katholische Kirche als Hüterin eines besonderen Schatzes: des christlichen Glaubens. Wer diesen attackiert, muss mit der ganzen Härte der Institution rechnen: Ausschluss aus der Glaubensgemeinschaft, Exkommunikation. Auch das kann sakramental vergeben werden, klar, denn schließlich kann man auch Häresie bereuen, aber eben nur mit dem beschriebenen „Umweg“.

Was sagt Papst Franziskus mit seinem Erlass zum Thema Abtreibung?

Nichts. Jedenfalls nichts, das sich von der bestehenden moraltheologischen oder kirchenrechtlichen Bewertung abhöbe. Er bekräftigt ja gerade, dass Abtreibung eine Sünde ist, die Exkommunikation als Tatstrafe nach sich zieht (insoweit er eine zeitlich befristete Ausnahme im Verfahren bestimmt, das damit an und für sich so bleibt, wie es ist). Gleichwohl wirbt er im Zusammengang mit dem Erlass um Barmherzigkeit für Frauen, die abgetrieben haben. Das ist – meiner Ansicht nach – gut und richtig, hat aber nur mittelbar etwas mit dem Erlass zu tun, insoweit betroffenen Frauen (und Männern, die sich durch Mitwirkung an einer Abtreibung selbst exkommuniziert haben) der Weg zur Versöhnung lediglich verfahrenstechnisch etwas erleichtert, i.e. abgekürzt wird. Gehen müssen sie ihn nach wie vor.

(Josef Bordat)

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