Altersdiskriminierung

16. Juni 2015


Vor etwa einem Jahr schrieb Henryk M. Broder einen aufsehenerregenden Text für die Zeitung Die Welt, in dem er zeigt, in welchen Fällen die Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsnormativität verfängt und in welchen Fällen nicht („Zu sagen, hier werde mit zweierlei Maß gemessen, wäre eine freundliche Untertreibung.“ – Lesen Sie ruhig den ganzen Artikel, es lohnt sich!).

Wir lernen aus dem Beitrag: Alte Menschen dürfen diskriminiert werden.
Und wir wissen: Diskriminierung beginnt mit der Sprache. Alte Menschen gelten als schlecht informiert. Oder als dumm. Und gebrechlich. Die Sprache verrät es.

Wer beim Skat ein „Omablatt“ sein eigen nennt, hat Karten zugeteilt bekommen, mit denen man eigentlich nicht verlieren kann, auch dann nicht, wenn man keine Ahnung vom Skatspielen hat. Mit diesen Karten gewinnen auch dumme Menschen. Omas eben.

Unter deutschen Wikipedianern – in der Mehrzahl junge Männer – wird die Anforderung an einen Artikel, möglichst einfach geschrieben und allgemeinverständlich zu sein, hinter vorgehaltener Hand als „Oma-Bedingung“ bezeichnet. Jede und jeder, die und der keine Ahnung hat, soll hinterher genau wissen, um was es geht. Eigentlich ein gutes Anliegen. Warum aber „Oma“ in der Bedingung? Warum nicht „Maschinenbauingenieur“?

Der Hilfsqueue beim Billiard heißt unter passionierten Spielern ebenfalls „Oma“, was auf die körperliche Unzulänglichkeit der alten Dame anspielt. Witze über Omas (und Opas) gehören zum Repertoire jedes Komödianten. Meist basieren sie auf jenen Verfallserscheinungen des Körpers, manchmal aber auch darauf, dass unterstellt wird, alte Menschen seien naiv, hinterwäldlerisch und auf unvernünftige Weise gutgläubig. Oder eben dumm. Selbst altersbedingte Krankheiten wie Demenz werden zum Aufhänger für Spott und Häme.

In einer Gesellschaft des Jugendwahns ist es offenkundig ein Makel, alt zu sein. Jung aussehen, jung sein, das ist angesagt. Jung und dynamisch. Und das in einem Land, in dem in absehbarer Zukunft zwei Drittel der Menschen im Rentenalter sein werden (Prognose des Statistischen Bundesamts für 2060). Dann wohl auch die meisten Wikipedianer.

Immerhin: Die Politik hat das Problem erkannt. Eine Kommission erarbeitet derzeit im Auftrag der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, den bereits Siebten Altenbericht. Er soll bis zum Herbst fertiggestellt sein und konkrete Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Seniorenpolitik in den Kommunen geben. Für Oma. Und Opa.

(Josef Bordat)