Volksverhetzung

27. März 2012


Die Piratenpartei wird nach den jüngsten Wahlerfolgen an Spree und Saar bereits als „FDP 2.0“ gehandelt. Ich war nie ein besonderer Freund der Liberalen und mit den „Piraten“, insbesondere ihrer Haltung zur Religion(sfreiheit) tue ich mich – zugegeben – sehr schwer. Nicht nur, dass ich die radikale Aufkündigung der gut strukturierten Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche im edukativen, sozialen und vor allem karitativen Bereich für problematisch halte, auch die über einen strengen Laizismus hinausgehenden Vorstellungen sind nicht geeignet, mein Vertrauen in die „Piraten“ nachhaltig zu stärken.

So findet man etwa unter den Anträgen zum letzten Bundesparteitag den Vorschlag, „zum Schutze Wehrloser“ das Strafrecht dergestalt zu ändern bzw. zu ergänzen, dass „die Bedrohung Andersgläubiger mit Ewiger Verdammnis [..] in ihrem Charakter als Volksverhetzung […] als Offizialdelikt behandelt und verfolgt werden kann“. Andersgläubige, so scheint es nach der Erläuterung zum Antrag, das sind vor allem Nichtkatholiken. Zwar wird auch der Islam ins Visier genommen, aber die weiteren Ausführungen, in denen in krudester Manier Dinge, die irgendwie zum Antragsduktus zu passen scheinen, zusammengestellt und mit „Papst Benedikt XVI.“ beschriftet werden, zeigen den Kurs der „Piraten“ eindeutig an: Feindbild Kirche, soweit es um die Katholische Kirche geht.

Es wird also allen Ernstes (man muss zumindest davon ausgehen, dass der Antrag ernst gemeint war bzw. ist) eine lex catolica gefordert, nach der offenbar Prediger (katholische versteht sich!), die Begriffe wie „Sünde“, „Fegefeuer“ oder „Hölle“ verwenden, bei Bekanntwerden des Umstands strafrechtlich verfolgt werden müssen (Offizialdelikt). Sie werden also am besten gleich von der Kanzel weg in Polizeigewahrsam verbracht, dem Haftrichter vorgeführt und für einige Zeit hinter Gitter verfrachtet – Volksverhetzung ist nicht ohne! Ein Staatsanwalt, der einem Gottesdienst beiwohnt, ist dann von Amts wegen verpflichtet, einzuschreiten, sobald der Pfarrer das „himmlische Jerusalem“ erwähnt, wo halt auch nicht jeder so ohne weiteres reinkommt. Oder, wenn sonst ein Wort aus der Schrift zwischen gut und böse diskriminiert und somit eben nicht haargenau zum Ausdruck bringt, dass es völlig egal ist, was wir tun und wie wir es tun. Piratenauge sei wachsam!

Nicht das grundsätzlich sehr eigentümliche (streng genommen: falsche) Verständnis der katholischen Lehre, nicht die Tatsache, dass katholische Priester, die über eschatologische Fragen sprechen, sich regelmäßig an Gläubige, nicht an Andersgläubige richten, auch nicht die Tatsache, dass man offensichtlich nicht bereit ist, die „Bedrohung Andersgläubiger“ in ihrem Charakter als wohlwollende Warnung zu begreifen, die ein Christ, der seinen Glauben ernst nimmt, aussprechen muss*, nein, das alles ist es nicht, was mich abschreckt, zumal ich mich an eine etwas oberflächliche Behandlung theologischer Fragen in der Öffentlichkeit schon hinlänglich gewöhnt habe, sondern mich erstaunt das vollendet intolerante „Kenn ich nicht, versteh ich nicht, will ich nicht! – Weg damit!“-Gehabe, das wir eigentlich in der allerjüngsten deutschen Geschichte schon überwunden wähnten, u.a. als Ergebnis der Erfahrungen, die dieses Land in der jüngsten und jüngeren Geschichte machen musste, doch den christlichen Glauben unter Strafe zu stellen – zunächst nur teilweise, aber doch mit ambitionierter Perspektive – scheint mir ein Rückfall in ganz dunkle Zeiten.

Auch, wenn es hochspannend ist, dass sich der Kirchenhass einiger „Piraten“ gerade an der Theologie „letzter Fragen“ entzündet, die für den, der ohnehin nicht an die Antworten glaubt, eigentlich gegenstandslos sind, und nicht an den üblichen gesellschaftspolitisch relevanten „Aufreger-Themen“ (die allerdings – da ist der „Durchschnittspirat“ ein ganz normaler Durchschnittsbürger – auch nicht unter den Tisch fallen und an anderer Stelle die gewohnte Beachtung finden; der Vorwurf, die Kirche sei „scheidungsfeindlich“, ist mir allerdings zuvor noch nicht untergekommen – Hut ab!), auch, wenn es sicher interessant wäre zu beobachten, welche Diskussionen sich Sonntag vormittags auf den Polizeidienststellen der Republik ergäben und wie schnell Rahner-Fortbildungen zum obligatorischen Teil der Ausbildung unserer Beamten von Schupo und Kripo zählten, und auch, wenn die Vorstellung, endlich eine umfassende Gefängnisseelsorge gewährleisten zu können, gewiss ihren Charme hat, so ist der Antrag doch in erster Linie ein Alarmsignal. Wer die Kirche (oder wahlweise auch die Freiheit Andersdenkender) schätzt, sollte sich jedenfalls gut überlegen, ob er der „Piratenpartei“ seine Stimme gibt.

Also: Wenn das die „neuen Liberalen“ sind, so darf ich sagen, dass mir die alten zehnmal lieber waren. Zumindest haben die sich nicht nach Schwerverbrechern benannt.

Anmerkung

* Dies zunächst freilich gegenüber sich selbst, aber eben auch gegenüber anderen Menschen, denen er sich durch die Nächstenliebe verbunden weiß, gerade weil er nicht wollen kann, dass diese in ihr Verderben laufen und letztlich scheitern, weil sie sich in der Gottferne einrichten haben, die vom ewigen Gott her gedeutet in der Tat als „ewige Verdammnis“ angesehen werden kann (obgleich es ja nicht Gott ist, der verdammt, schon gar nicht die Kirche, sondern der einzelne Mensch selbst, weil und soweit er freien Willens handelt und dabei ja nicht gezwungen ist, zu sündigen bzw. hinterher auf seine Fehler auch noch stolz zu sein). Es gehört auch heute zur verantwortlichen Pastoral, auch die Möglichkeit des Scheiterns anzusprechen (vgl. Frohbotschaft und Drohbotschaft).

(Josef Bordat)

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