Weltjugendtag. Oder: Die Schlacht an der Copacabana (2013)

28. Juli 2013


Wie schaffe ich es, aus der Vigil beim Weltjugendtag, dem friedlichen Zusammensein von drei Millionen Jugendlichen aus aller Welt, ein dem deutschen Internetnutzer genehmes Bild zu zeichnen, das die Kirche in einem Sumpf aus Hass, Angst und Gewalt zeigt? Eben so, wie es sich gehört. Ganz einfach – die Tagesschau zeigt, wie es geht.

1. Man stelle das Verhalten der drei Millionen Jugendlichen möglichst negativ dar: „Es sieht aus wie ein riesiges Schlachtfeld, überall ragen Flaggen aus dem Sand. Auf dem Boden haben junge Menschen ihr Feldlager aufgeschlagen, die wenigsten mit Zelten, das hatte die Stadtverwaltung ausdrücklich verboten, die meisten mit Plastikplanen und Schlafsäcken. Auch kleine Mauern haben sie aus Sand gebaut, um ihre Schlafstätten von den anderen abzugrenzen.“ Da ist alles drin, was negative Assoziationen weckt: Schlacht, Feldlager, Verbot, Plastik, Mauer, Abgrenzung. Die Botschaft: Tief eingegraben in ihren Stellungen verharrt der menschenverachtende Feind, so sehr von Hass durchtränkt, dass er gar einander misstrauisch beäugend Mauern baut – stets zum letzten Schlag bereit.

2. Man erhöhe die Spannung durch die Ziehharmonikatechnik (Rücknahme, Neueröffnung): „Und doch ist es natürlich kein Schlachtfeld auf dem sich Menschen im Kampf oder auch nur im Kulturkampf gegenüberstehen.“ War also nur ein Scherz das ganze Gerede von Schlacht und Kampf? Nein, nein: „Zumindest noch nicht.“ Also, doch! Hochspannung! „Noch ist die Stimmung ruhig…“ Meine Güte, das ist kaum auszuhalten!

3. Wie entlädt sie sich, diese Spannung? Nun will man es ja wissen, nicht wahr! Und man ahnt es: Hass und Gewalt bricht sich ganz offen Bahn – ausgelöst von wem? Na, kommen Sie schon, das wissen Sie! Richtig: vom Papst! Achtung: „Es ist ironisch, doch während Franziskus seine Ansprache hält, ziehen einige Hundert Demonstranten über die Strandpromenade der Copacabana. Sie tragen Schilder mit der Aufschrift ,Abtreibung ist ein Grundrecht‘, ein paar Frauen haben ihre T-Shirts ausgezogen, ziehen in BHs durch die Straßen. Ein Mann hat sich einen Luftballon vor die Hose geschnallt, der ein Kondom symbolisieren soll. Sie rufen ,Das hier ist die Diktatur des Papstes‘. Und schon bald rufen die katholischen Jugendlichen vom Strand zurück: ,Das hier ist die Jugend des Papstes‘. Zwei Gruppen stehen sich gegenüber, brüllen einander an.“ Hier: „fast drei Millionen“, dort: „einige Hundert“, „ein paar Frauen“, „ein Mann“. Zwei Gruppen. Und sie brüllen einander an. Endlich: Krieg! Und der Papst ist Schuld!

4. Die katholische Jugend aber auch. Denn schließlich interessiere sie sich nicht für Brasilien, wie eine der Protestlerinnen unkommentiert äußern darf. Und für diesen Haufen Ignoranten „gibt Brasilien so viel Geld aus, das anderswo fehlt“! Der richtige Umgang mit Irrtümern ist nun zwar nicht der, die andere Meinung widerwillig anzufügen („Die Jugendlichen an der Copacabana sehen das anders.“) und das gleichwertige Gegeneinanderstellen von Irrtum und Wahrheit zu üben („Es sind zwei Sichtweisen, die hier aufeinander prallen.“), sondern idealerweise Fakten zu präsentieren, die den Irrtum als solchen identifizierbar machen, aber immerhin: auch die „Sichtweise“ der drei Millionen Jugendlichen wird pflichtschuldig referiert. Schließlich weiß man, was weltanschaulich neutraler Journalismus gebietet. Die Botschaft jedoch ist klar: Was sind schon drei Millionen Jugendliche, die blind dem Papst folgen, ohne irgendeine Ahnung zu haben, gegen „ein paar Frauen“ ohne T-Shirt, denen sich „ein Mann“ zur Seite stellt, mit einem „Luftballon vor die Hose geschnallt“? Da sehen die drei Millionen Jugendlichen schnell alt aus! Vor allem, wenn sie nichts tun außer Mauern zu bauen.

5. In den Geschichtsbüchern werden unsere Enkel lesen: „Dass die Schlacht an der Copacabana (Sommer 2013) Unentschieden endete, ist der Besonnenheit einiger BH-Trägerinnen zu verdanken.“ Den Rest erledigen die Mauern des Schweigens.

(Josef Bordat)

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